Übersetzung
aus dem Sanskrit in die englische Sprache von Julius Jolly
(Reprint von 1977)
Übersetzung in die deutsche Sprache von Wolfgang Burtscher,
5/1999

Kala-Chakra
das Rad der Zeit
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[Vishnu sprach zur Mutter Erde:]
1. Der nördliche
Lauf der Sonne [ein halbes Jahr]
ist für die Götter ein Tag.
2. Der südliche
Lauf der Sonne eine Nacht.
3. Ein Jahr
ist (für sie) ein Tag und eine Nacht;
4. Dreißig
solche sind ein Monat;
5. Zwölf solche
Monate sind ein Jahr [=360 Menschenjahre].
6. Zwölfhundert
Jahre der Götter sind ein Kali-yuga [=432.000 Menschenjahre].
7. Doppelt
soviele (oder zweitausendvierhundert) sind ein Dvapara (Yuga)
[=864.000 Menschenjahre].
8. Dreimal
soviele (oder dreitausendsechshundert) sind ein Treta (Yuga)
[=1.296.000 Menschenjahre].
9. Viermal
soviele (oder viertausendachthundert) sind ein Krita-yuga
[=1.728.000 Menschenjahre].
10. So besteht
ein Catur-yuga (oder eine Periode von vier Yugas) aus zwölftausend
Jahren [=4.320.000 Menschenjahre].
11. Ein Manvantara
(oder eine Periode Manus) sind einundziebzig Catur-yugas
[=306.720.000 Menschenjahre].
12. Ein Kalpa
sind eintausend Catur-yugas [=4.320.000.000 Menschenjahre].
13. Und das
ist ein Tag des Vorvaters (Brahma).
14. Auch seine
Nacht hat dieselbe Länge.
15. Wenn soviele
solche Nächte und Tage zusammengenommen werden, daß sie
mit Monat und Jahr gerechnet eine Dauer von hundert Jahren
(von Brahma) ergeben, wird dies das Zeitalter eines Brahma
genannt.
16. Ein Tag
des Purusha (Vishnu) dauert solange wie das Zeitalter eines
Brahma.
17. Wenn es
endet, ist ein Mahakalpa vorüber.
18. Die darauffolgende
Nacht ist genauso lang.
19. Die vergangenen
Tage und Nächte des Purusha sind zahllos.
20. Genauso
wie die, welche folgen werden.
21. Weil Kala
(Zeit, Vishnu) ohne Anfang und Ende ist.
22. Darum ist
es so, daß Ich [Vishnu, der Sprecher der Vaishnava Dharma
Sastra] in dieser Kala (Zeit), in der nichts ruhen
kann und die ewig ist, nichts Erschaffenes erspähen kann,
in dem auch nur die geringste Beständigkeit ist.
23. Der Sand
im Ganges und (das Wasser, welches vom Himmel herabregnet)
wenn Indra Regen sendet kann gezählt werden, aber nicht
die Anzahl der Vorväter (Brahmas), die verschieden sind.
24. In jedem
Kalpa gehen vierzehn Könige der Götter (Indras) der Vernichtung
entgegen, ebensoviele Herrscher der Welt (Könige) und vierzehn
Manus.
25. Und so
wurden viele Tausende Indras und Hunderttausende Prinzen
der Daityas (wie Hiranyakasipu, Hiranyaksa und andere) von
Kala (Zeit) vernichtet. Was soll man dann erst über menschliche
Wesen sagen?
26. Auch viele
königliche Rishis (wie Sagara), alle für ihre Tugenden bekannt,
Götter und brahmanische Rishis (wie Kasyapas) sind durch
die Wirkung Kalas dahingegangen.
27. Sogar jene,
welche in dieser Welt die Macht der Schöpfung und Vernichtung
haben (die Sonne, der Mond und andere Himmelskörper) vergehen
fortwährend durch die Wirkung von Kala, denn Kala (Zeit,
Vishnu) ist schwer zu überwinden.
28. Jedes Geschöpf
wird von Kala ergriffen und in die andere Welt gebracht.
Es ist Sklave seiner Handlungen (in einer früheren Existenz).
Weswegen dann solltest du (bei seinem Tod) wehklagen?
29. Jene, die
geboren werden, sind des Todes gewiß und jene, die gestorben
sind, werden wieder geboren. Das ist unvermeidlich, und
kein Beigesellter kann einem Menschen (in seinem Gang durch
das materielle Dasein) folgen.
30. Da Trauernde
dem Toten in dieser Welt nicht hilfreich sein werden, sollten
(die Angehörigen) nicht weinen, sondern die Trauerfeierlichkeiten
mit bester Kraft ausführen.
31. Da ihm
(nach dem Tod) seine guten und schlechten Handlungen wie
Angehörige folgen werden, was hat es für einen Menschen
an Bedeutung, ob seine Verwandten über ihn klagen oder nicht?
32. Doch solange
seine Verwandten unrein bleiben, findet der Geist des Verstorbenen
keine Ruhe und kehrt zurück um (seine Verwandten) zu besuchen,
deren Pflicht ist, ihm den Begräbnisreisball und das Wassertrankopfer
darzubringen.
33. Bis das
Sapindikarana [Opfer zu Ehren der Vorväter] ausgeführt wurde,
bleibt der tote Mensch ein körperloser Geist (und wird von
Hunger und Durst geplagt). Gib dem Menschen, der in den
Aufenthaltsort der körperlosen Geister übergegangen ist,
Reis und ein Glas Wasser.
34. Nachdem
er zum Aufenthaltsort der Manen übergegangen ist (nach der
Ausführung des Sapindikarana), genießt er in der Form von
himmlischen Essen seinen Teil des Sraddha (Begräbnisopfergabe);
opfere ihm, der zum Aufenthaltsort der Manen übergegangen
ist, deswegen das Sraddha.
35. Egal ob
er ein Gott wurde oder in der Hölle weilt oder den Körper
eines Tieres betrat oder eines menschlichen Wesens - er
wird das ihm von seinen Verwandten geopferte Sraddha erhalten.
36. Der toten
Person und dem Ausführer des Sraddha ist es sicher, daß
sie durch dessen Ausführung einen Nutzen haben werden. Deswegen
führe das Sraddha immer durch und gib sinnlosen Kummer auf.
37. Dies ist
die Pflicht, die für eine tote Person von ihren Verwandten
fortgesetzt ausgeführt werden sollte; durch Trauern wird
ein Mensch weder dem Toten, noch sich selbst nützen.
38. Nachdem
man gesehen hat, daß es von dieser Welt keine Hilfe gibt,
und daß seine Angehörigen (einer nach dem anderen) sterben,
muß man Tugend [Anm.: die höchste Tugend ist hingebungsvoller
Dienst für Krishna] als seinen einzigen Gefährten wählen,
o ihr Menschen.
39. Selbst
wenn wir mit ihm sterben, ist ein Verwandter nicht in der
Lage, seinem toten Angehörigen zu folgen: es ist allen,
außer seiner Frau, verboten, ihm auf dem Pfad Yamas zu folgen.
40. Tugend
allein wird ihm folgen, wohin auch immer er geht; deswegen
tue unerschütterlich deine Pflicht in dieser elenden Welt.
41. Die Tätigkeit
von morgen sollte heute getan werden und die Tätigkeit des
Nachmittags am Vormittag; weil der Tod wird nicht warten,
ob eine Person es erledigt hat oder nicht.
42. Während
sein Geist auf sein Feld, das Geschäft oder sein Haus fixiert
ist, oder während seine Gedanken in ein anderes (geliebtes)
Objekt vertieft sind, trägt ihn der Tod plötzlich als seine
Beute davon, wie eine Wölfin ein Lamm fängt.
43. Kala (Zeit)
ist niemandes Freund oder Feind: wenn die Auswirkung der
Handlungen einer früheren Existenz, durch die seine gegenwärtige
Existenz verursacht wurde, geendet haben, reißt sie einen
Menschen gewaltsam davon.
44. Er wird
nicht sterben, bevor seine Zeit gekommen ist, selbst obwohl
er von tausend Pfeilen durchbohrt wurde; er wird nicht leben,
nachem seine Zeit vorbei ist, selbst obwohl er nur von der
Spitze eines Kusagrashalmes berührt wurde.
45. Weder Drogen,
noch magische Formeln, noch Brandopfergaben, noch Gebete
werden einen Menschen retten, der in den Ketten des Todes
oder Alters liegt.
46. Ein drohendes
Unheil kann selbst von hundert Vorkehrungen nicht abgewendet
werden; welchen Grund gibt es dann für dich zu klagen?
47. So wie
ein Kalb seine Mutter selbst unter tausend Kühen findet,
ist es sicher, daß eine früher ausgeführte Handlung den
Handelnden findet.
48. Der Anfang
von existierenden Wesen ist unbekannt, die Mitte (ihres
Werdeganges) bekannt, und das Ende wieder unbekannt; welchen
Grund gibt es dann für dich zu klagen?
49. Wie der
Körper von Sterblichen (nacheinander die Wechsel von) Säuglingsalter,
Jugend und Alter durchmacht, genauso wird es [das wahre,
ewige Selbst; die Seele] (danach) in einen anderen Körper
transformiert werden; ein vernünftiger Mensch ist deswegen
nicht verwirrt.
50. Wie ein
Mensch neue Kleider in dieser Welt anlegt und jene, die
er zuvor trug, beiseite wirft, so legt das Selbst des Menschen
neue Körper an, die sich in Entsprechung mit seinen Handlungen
(in einem früheren Leben) befinden.
51. Keine Waffe
kann das Selbst des Menschen verletzen, kein Feuer kann
es verbrennen, kein Wasser kann es befeuchten und kein Wind
kann es austrocknen.
52. Es kann
nicht verletzt werden, kann nicht verbrannt werden, kann
nicht befreuchtet werden und kann nicht ausgetrocknet werden;
es ist unvergänglich, ewig, unveränderlich, stetig, ohne
Anfang.
53. Es wird
(außerdem) gesagt, daß es nicht materiell, jenseits des
Vorstellungsvermögens und unwandelbar ist. Da du das Selbst
des Menschen als solches kennst, mußt du Dich nicht grämen
(wegen der Vernichtung seines Körpers).