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Hare Krishna - Hare Rama
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EIN CHRISTLICHER BEITRAG ZUM KRISHNA-BEWUSSTSEIN


Das Folgende ist eine Erklärung von Dr. Harvey Cox, einem Theologen an der Harvard Divinity School, auf einem Symposium mit dem Titel ,,Krishna-Bewußtsein und religiöse Freiheit", das am 22. November 1976 im Center for the Study of World Religions an der Universität Harvard stattfand.

Harvey CoxWann immer eine spirituelle Bewegung entstand oder ein spiritueller Führer in Erscheinung trat und eine Lebensweise propagierte, die von den herkömmlichen Normen oder der etablierten Religion der jeweiligen Zeit abzuweichen oder verschieden zu sein scheint, wird jemand, der sich dieser Lebensweise zuwendet, fast immer mit Mißtrauen betrachtet, im allgemeinen für ein wenig verrückt gehalten, sehr oft von staatlichen Behörden verfolgt und hat für gewöhnlich Probleme mit seiner Familie.

Ohne nun übermäßig fromm erscheinen zu wollen, möchte ich mich jetzt auf einen Abschnitt im Markus-Evangelium beziehen. Es ist das 3. Kapitel, wo einige der frühen Begebenheiten im Leben Jesu beschrieben werden.... Es beginnt mit dem Siebten Vers des 3. Kapitels im Markus-Evangelium, das wir für das wahrscheinlich Älteste und in vieler Hinsicht Authentischste aller vier Evangelien halten:

Jesus aber zog sich mit seinen Jüngern an den See zurück. Und eine große Volksschaar aus Galiläa folgte ihm. Und viele hatten Krankheiten und drängten sich zu ihm, um ihn zu berühren. Und er stieg auf den Berg hinauf und rief die zu sich, die er selbst wollte, und sie kamen zu ihm. Und er bestellte zwölf, daß sie mit ihm zusammen seien, und daß er sie aussende zu verkündigen.

Als er nach Hause kam, lief wiederum das Volk zusammen, so daß sie nicht einmal essen konnten. Als die Seinen davon hörten, zogen sie aus, um sich seiner zu bemächtigen, denn sie sagten: "Er ist von Sinnen." Die Schriftgelehrten aber, die von Jerusalem heruntergekommen waren, sagten: "Er hat den Beelzebub, und durch den Obersten der Dämonen treibt er die Dämonen aus." Und Jesus sagte zu ihnen: "Wenn ein Haus in sich selbst entzweit ist, so kann dieses Haus keinen Bestand haben."

Und seine Mutter und seine Brüder kamen und blieben draußen stehen und schickten zu ihm, ihn zu rufen. Um ihn her saß das Volk, als man ihm sagte: "Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern sind draußen und suchen dich." Da antwortete er ihnen: "Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder?" Und indem er auf die rings um ihn Sitzenden blickte, sprach er: "Siehe, das sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter."

Nun, ich lese diesen Abschnitt nicht, um auf billige Weise Textstellen als Beweis zu zitieren oder irgendetwas zu rechtfertigen oder zu bemänteln. Ich will nur deutlich machen, daß es im innersten Kern des biblischen Glaubens, des christlichen Glaubens, offensichtlich diese tragische Note gibt: Daß die Notwendigkeit für eine persönliche Entscheidung über den eigenen Lebensstil, die eigene Philosophie, den eigenen Glauben, den eigenen spirituellen Pfad oft zu einem tragischen, schmerzhaften Bruch in den Beziehungen zu denen führt, die einem nahe stehen. Das ist der Preis, den man bei jeder Art freier Wahl zu zahlen hat. Ich denke, daß niemand in diesem Saal bestreiten wird, daß irgendwann einmal jeder von uns diese endgültige Wahl treffen muß, die wir alle für uns selbst treffen müssen, und daß sie nicht für uns getroffen wird von einer Familie, die uns drängt, von Polizisten oder "Programmierern" oder "Deprogrammierern" oder "Umprogrammieren" oder irgend jemand anderem, der uns drängt, sondern daß uns auf irgendeine Weise die Möglichkeit und die Würde gegeben wird, diese Wahl selbst zu treffen. Und das ist kein Leichtes. Aber ich glaube, daß jeder von uns hier den Wunsch hat, die Notwendigkeit dafür zu unterstreichen. Und wir können uns auch ein wenig einfühlen, nicht nur in Jesus, der als junger Mann gerade mit seiner Priesterschaft begann, sondern vielleicht auch in seine Familie, seine Freunde, seine Brüder und Schwestern, die seinem Tun verständnislos gegenüberstanden und darunter litten.

Auf eines möchte ich an dieser Stelle hinweisen. In den letzten Wochen, als es mehr und mehr Kontroversen über die Hare-Krishna-Bewegung gab, von der ich viele Mitglieder persönlich kenne und sehr schätze, habe ich mich gefragt: "Wie kommt es, daß plötzlich diese und andere Bewegungen solche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, so sehr, daß man sogar anfangen könnte, von Verfolgung zu sprechen? Warum ist das so? Ich muß jetzt, als ein Theologe, der sich vornehmlich dem christlichen Glauben verbunden fühlt, bekennen, daß diese Tendenz meines Erachtens auf ein Schuldgefühl und ein Gefühl des Versagens auf seiten derer hinweist, die versucht haben, etwas von den kritischen und kreativen spirituellen Möglichkeiten zu bewahren, die das Christentum selbst bietet. Könnte es sein, daß wir es zugelassen haben, daß das Christentum und vielleicht auch das Judentum so sehr mit den Werten von Anhäufung, Profit, Erfolg und materiellem Gewinn gleichgesetzt wird - die immerhin die Hauptwerte unserer Gesellschaft sind -, daß so etwas offensichtlich Esoterisches und Exotisches wie eine Bewegung aus Indien notwendig ist, uns daran zu erinnern, daß es in der Tat noch eine andere Lebensweise gibt; daß es eine Lebensweise gibt, die nicht auf Profit, Besitz, Erfolg und Titel aufgebaut ist, sondern in ihrem Kern eine gewisse Einfachheit und Unkompliziertheit des Lebens hat, wenn Sie es so wollen? Ist es nicht seltsam, daß diese Botschaft uns jetzt von Bewegungen überbracht werden kann, die von so weit her kommen, wenn doch die Propheten unserer eigenen Tradition, die wir zwar offiziell feiern, doch oft mißachten, eine ähnlich lautende Botschaft haben? Jesus von Nazareth, der heilige Franz von Assisi, der zweifellos seinen Eltern Sorgen machte, als er den wunderlichen Entschluß faßte, eine neue Art von Kleidung anzuziehen, hinauszugehen, um auf den Straßen zu singen und zu tanzen und zu den Vögeln zu sprechen; BaalSchem-Tov in der chassidisch-jüdischen Tradition, der als ein wenig verrückt angesehen wurde, jedoch dem Leben eine Art von Frohsinn und Bejahung brachte und die Werte bloßen Profits und bloßer Anhäufung zurückwies.

Wie kommt es, fragte ich mich, daß wir die Stimmen dieser Propheten unserer eigenen Tradition nicht hören können und daß es erst notwendig ist, daß Menschen von so weit her wie Indien eine Botschaft bringen, die in vieler Hinsicht so ähnlich klingt? Vielleicht ist das ein Weg, uns zu etwas Essentiellerem in unserer eigenen Tradition zurückzurufen - ein Weg, den Gott gewählt hat, um uns an etwas zu erinnern, das wir beiseite geschoben, vergessen und mißachtet haben. Was bedeutet es für uns, daß diese Bewegung in diesem Jahrhundert in unsere Mitte tritt? Ich würde es in einen sehr theologischen Sinn fassen: Was will Gott uns sagen? Was bedeutet es? Ist es bloß eine gesetzliche Angelegenheit? Ist es bloß eine Angelegenheit bürgerlicher Freiheiten, ganz gleich, wie wichtig diese sein mögen? Oder ist es etwas anderes, was hier geschieht? Behagen uns einige dieser Bewegungen nicht, weil wir uns in gewissem Sinne selbst nicht behagen, weil uns die Art materialistischer Gesellschaft, auf die wir aufgebaut haben, nicht behagt? Vielleicht wird eines der Ergebnisse dieser Hare-KrishnaBewegung sein, uns dahin zu bringen, einige Dinge wieder zu entdecken, die wir in unserem eigenen religiösen Erbe mißachtet und unterdrückt haben. Ich halte das für durchaus möglich. Und wenn es dazu kommen sollte, so bin ich sehr dankbar für das Geschenk, das sie uns überreichen.