Samsara
ist der ewige Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt. Samsara ist deshalb
auch als Seelenwanderung bekannt, was aus diesem Grund auch die Karmalehre und
Reinkarnation mit einschließt.

Das Wort wird von
sam (= herum) und sar (= gehen, sich bewegen) abgeleitet. Samsara heißt
wörtlich "herumdrehen", "kreisen" und bedeutet philosophisch
den Kreislauf der Geburt, des Todes und der Wiedergeburt eines jeden Individuums.
Später bedeutete es auch die drei Bereiche des Daseins: diese Welt- Bhuloka;
die Unterwelt-Naraka; die himmlische Welt-Svarga. Sie durchläuft der Mensch
in Geburt und Tod. Samsara besagt somit den Kreislauf ewigen Werdens und Vergehens
alles Seienden.
Samsara hängt
eng mit der Lehre des Karma zusammen, wonach jedes menschliche Handeln (Karma)
neben seiner sichtbaren Wirkung auch eine unsichtbare Wirkung hervorruft (Karma-Phala),
die gut oder schlecht (Verdienst oder Schuld) sein kann. Diese unsichtbare Wirkung
bleibt bestehen, auch wenn die sichtbare Wirkung bereits verschwunden ist. Sie
beschränkt sich nicht auf das gegenwärtige Leben, sondern währt
über dieses hinaus und bestimmt qualitativ und quantitativ den Zustand nach
dem Tod. Handlungen des gegenwärtigen Lebens sind die Ursache der zukünftigen
Existenz, so wie alle Umstände des gegenwärtigen Lebens die notwendigen
Folgen der Taten im früheren Dasein sind.
Die Annahme, daß
jede Tat ihre Vergeltung finden muß, schließt mit Notwendigkeit die
Idee der Seelenwanderung oder Wiedergeburt (Reinkarnation) ein. Hindus glauben
nicht an die Existenz einer ewigen Hölle. Das Fegefeuer, wie es aus christlicher
Tradition bekannt ist, hat auch keinen Platz in ihrem Glauben, da sie der Meinung
sind, daß ein Wesen seine Erlösung nur in seinem menschlichen Dasein
erarbeiten kann. Wenn daher der Mensch im Tod erlösungsbedüftig ist,
muß er wiedergeboren werden.
Der
Grund dafür, daß die Lehre vom Karma die Wiedergeburt zur Konsequenz
hat, ist ihr enger Zusammenhang mit der Idee von Samsara, was "das Rad des
Lebens", den ewigen Kreislauf aller Schöpfungen bezeichnet. Nacht und
Tag, Sommer und Winter, Geburt und Tod wechseln in alle Ewigkeit. Das Karma, das
ich jetzt ernte, ist frühere Menschenleben hindurch gesät worden. Der
Körper, die Familie, die Nation und die Kaste, in die hinein ich geboren
wurde, sind durch meine Handlungen in früheren Leben bestimmt worden. Samsara,
Karma und Reinkarnation handeln davon, daß die Seele früher in anderen
Körpern gewohnt hat und daß sie in anderen Umgebungen gelebt hat.
Die Menschen, die
wir eben jetzt um uns sehen, sind eigentlich nur Körperhüllen, von denen
jeder einzelne eine (uralte) ewige Seele in sich trägt. Sie hat zahllose
Male in der Vergangenheit in anderen Körpern gewohnt. Jede Seele ist schon
geboren worden und auch gestorben und ist Millionen mal in endlosen Generationen
wiedergeboren worden.
Samsara ist die
Wanderung der Seele von Körper zu Körper, im ewigen Kreislauf der sich
wiederholenden Geburten und Tode. Gefangen in Ihrem materiellen Körper, wandert
die spirituelle Seele, von einem Körper zum anderen, gemäß ihrer
Handlungen (Karma) um im nächsten Leben die Reaktionen zu erleiden.
Shri Krishna gibt
uns in der Bhagavd-Gita zu diesem Thema das Beispiel von den Kleidern und der
Person. Die Oberbekleidung ist der grobe Körper, die Unterbekleidung der
Feinstoffliche Körper (mentale und intellektuelle Ebene) die von einer Person
getragen wird. Eine Person die sich mit diesen "Kleidern" Identifiziert
lebt in Unwissenheit und ist deswegen verschiedensten Leiden ausgesetzt.
"Wie ein
Mensch alte Kleider ablegt und neue anlegt, so gibt die Seele alt und unbrauchbar
gewordene Körper auf und nimmt neue an." (Gita 2.22)
"Das Lebewesen
in der materiellen Welt trägt seine verschiedenen Lebensauffassungen von
einem Körper zum anderen, wie der Wind Düfte mit sich trägt."
(Gita 15.8)
Wenn eine Person
im Ozean von Samsara (Kreislauf von Geburt und Tod) am ertrinken ist und wir als
"Rettungsschwimmer" (Eltern, Wohltäter, "Guru") auftreten
und nur die Kleider (Körper) an Land ziehen - was haben wir dann "gerettet"?
Ziel des menschlichen
Lebens ist es deshalb Moksa zu erreichen, oder Befreiung aus dem Kreislauf von
Geburt und Tod, den Kreislauf zu durchbrechen, nicht mehr wiedergeboren zu werden.
Um von allem materiellen
Leid erlöst zu werden, wird deshalb vom Menschen verlangt, daß er nach
Selbsterkenntnis und Gottesverwirklichung strebt. Diese Art der Erkenntnis wird
unter anderem durch Yoga, Meditation und Entsagung erlangt.
Indem der Mensch
durch Yoga seine spirituelle Verbindung zu Gott realisiert, und sich von Vergänglichem
und Illusorischem befreit, wird er vom Rad der Wiedergeburten (samsara) erlöst.
Dieses natürliche
Rad, auf dem sich Geburt und Tod abwechseln wie Tag und Nacht oder Sommer und
Winter, kann erst dann zum Stillstand gebracht werden, wenn sich die Seele durch
den Läuterungsvorgang des Bhakti-yoga und durch transzendentale Akarma-Handlungen
von jeglichen materiellen Wünschen befreit hat. Nur dann ist sie nicht wieder
gezwungen, in der materiellen Welt geboren zu werden, sondern erreicht das ewige
spirituelle Reich Gottes, von wo es kein Wiederkommen mehr gibt
Die Lehre von Samsara,
d.h. von Karma und Wiedergeburt, ist nicht nur in der östlichen Religion
zu finden, sondern auch im Buddhismus, bekannt als das Rad des Lebens.

Kala-Chakra, das Rad der Zeit.
"Zeit bin ich, der alles
verschlingende Tod" (Gita)
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Im Buddhismus wird
Samsara als Bindung der Seele an den Kreislauf der sich wiederholten Geburten
und Tode betrachtet, an das "Rad der Wiedergeburten", das sich endlos
dreht und die Seele nach jedem Tod gemäss ihrer Verdienste und ihres Karma
in eine neue Körperform führt.
Die im Osten weit
verbreitete Lehre von der Wiedergeburt (Reinkarnation) beruht auf der Annahme,
die Seele eines Menschen löse sich im Tode vom Körper und werde gleichzeitig
- oder zu einem späteren Zeitpunkt - in einem anderen Körper wiedergeboren.
Diese Vorstellung steht im Zentrum buddhistischer und hinduistischer Überlieferung.
Buddhistische und
hinduistische Vorstellungen unterscheiden sich indes in einem wesentlichen
Punkt: "Reinkarnation" (also "Wiederverkörperung"
oder richtiger "Wiederfleischwerdung") wird eher dem Hinduismus zugeordnet
und bedeutet, dass mit der Wanderung der individuellen Seele in einen anderen
grob oder feinstofflichen Körper deren Persönlichkeit mitgeht und auch
im neuen Dasein erhalten bleibt.
Im Buddhismus dagegen
sprechen die Gläubigen meist von "Wiedergeburt". Das bedeutet:
Wie die Flamme einer Kerze wird nur eine Art Lebenskraft von einer Existenzform
an eine andere weitergegeben. Diese sehr komplizierte Unterscheidung wird von
Experten allerdings durchaus kontrovers diskutiert. Wann aber kommt das "Samsara",
das Rad des Lebens, zum Stillstand? Dann, wenn die Auswirkungen früherer
Taten abgetragen sind. Ob für diese Befreiung der Seele ("Moksha")
eine höhere Instanz - also ein Gott - zuständig ist oder ob sie sich
"einfach so" vollzieht, als Verschmelzung mit einer unpersönlichen
kosmischen Energie, wird ebenfalls unterschiedlich gelehrt. Die rund zwei Milliarden
Anhänger der buddhistischen und hinduistischen Religion verstehen allerdings
etwas ganz anderes unter der Wiedergeburt als unsere westliche Erlebnisgesellschaft.
Hierzulande gilt
Reinkarnation als eine Art "Reset"-Taste, mit der man das Spiel des
Lebens noch einmal von vorne beginnen kann, mit neuen Chancen und Möglichkeiten.
Vor allem Theosophen und Spiritisten betrachten Reinkarnation als eine Art spirituellen
Darwinismus, als "evolutionären Weg zur Selbstvervollkommnung",
nicht nur des Einzelnen, sondern der gesamten Menschheit. Im Osten dagegen bedeutet
jeder neue Lebensdurchgang eine Verlängerung der irdischen Mühsal -
also keine wünschenswerte Erlösung vom Tod, sondern ein Verhängnis.
Denn das Sterben wird zwar überlebt, aber nur, um wieder in ein weiteres,
dem Tod ausgeliefertes Leben voller Leid zurückzukehren. Ziel des menschlichen
Lebens ist die Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod, nicht mehr wiedergeboren
zu werden.
Das Gleichnis vom Kreislauf
der Geburten
Ein Brahmana -
so heisst es - geriet, während er den Kreislauf der Geburten durchwanderte,
in einen riesigen, schwer zugänglichen Wald, in dem es von Raubtieren nur
so wimmelte. Auf allen Seiten war er von gefrässigen Wesen umgeben, die wie
Löwen, Tiger und Elefanten aussahen. Selbst der Tod hätte sich vor ihnen
gefürchtet.
Als
der Brahmana diesen Wald sah, klopfte ihm das Herz bis zum Hals, und die Haare
standen ihm zu Berge. Er war ganz verwirrt, durchstreifte den Wald, lief hierhin
und dorthin und hielt ringsum Ausschau nach einem Platz, der ihm Zuflucht hätte
bieten können. Von Furcht geplagt, stürzte er los und suchte eine Lücke
zwischen den wilden Tieren. Doch er konnte ihnen nicht entkommen und sich nicht
von ihnen befreien.
Er bemerkte, dass
der ganze Wald in ein Netz gehüllt war und von einer schrecklichen Frau mit
beiden Armen umfasst wurde. Er sah auch, dass der grosse Wald von Schlangen umzingelt
war, die fünf Köpfe trugen und sich hoch emporreckten wie Berge mit
Bäumen, die bis zum Himmel reichten. Und in der Mitte des Waldes befand sich,
versteckt, ein Brunnen, der mit Schlingpflanzen überzogen war, die sich unter
einer Grasschicht verbargen.
Der Brahmana fiel
in die verborgene Wasserstelle hinein und blieb im Gewirr der Lianenranken hängen.
Mit den Füssen nach oben und dem Kopf nach unten hing er dort in der gleichen
Weise, wie die grosse Frucht des Brotfruchtbaums an ihrem Stengel befestigt ist.
Und eine weitere,
noch grössere Gefahr drohte ihm dort: Am Rande des Brunneneingangs sah er
einen riesigen schwarzgescheckten Elefanten, der sechs Mäuler und zwölf
Beine hatte und langsam um den von einem Lianenbaum beschatteten Brunnen herumlief.
In den Zweigen dieses Baumes sassen verschiedenartige, schrecklich anzusehende,
furchterregende Bienen, die aus einem Bienenstock kamen. Sie hingen an den Ästen
des Baumes und bereiteten Honig. Immer wieder strebten sie nach Honig, der für
alle Wesen schmackhaft ist und nicht nur Kinder sättigt. Dieser Honig ergoss
sich in unaufhörlichem ergiebigem Strom in die Höhle. Und der Mann,
der dort hing, trank immerfort davon, denn dem Trinkenden war auch in der Gefahr
der Durst nicht vergangen. Unersättlich verlangte er wieder und wieder nach
ihm. Niemals erlitt er Verdruss am Leben. Und dieses Menschen Lebenshoffnung versiegte
selbst dann noch nicht, als schwarze und weisse Mäuse das Gerank annagten,
an dem er hing. Gefahr drohte ihm durch die schlimmen Schlangen auf dem Boden
des Brunnens und von dem Elefanten am Brunneneingang. Als fünfte Gefahr nennt
man, dass er durch die Tätigkeit der Mäuse in den Brunnen fallen konnte,
und als sechste, dass die Bienen ständig nach Honig verlangten.
So harrte er dort
aus, nachdem er in den Ozean der Wiedergeburten geworfen war. Unverdrossen hoffte
er darauf, dass das Leben weitergehe."
Der König
Dhritarashtra fragte den Weisen: "Der Mann erfuhr grosses Unglück und
hatte ein hartes Leben. Sage mir daher, weshalb er so am Leben hängt und
weshalb es ihm Freude macht! Wo ist die Gegend, in der er lebt mit seinen Schwierigkeiten?
Wie kann dieser Mann aus der grossen Gefahr, in der er steckt, befreit werden?
Sag es mir, so dass wir Gutes tun können! Ich sorge mich sehr um seine Errettung."
Vidura entgegnete:
"Diejenigen, die über die Befreiung aus dem Kreislauf der Geburten unterrichtet
sind, sagen, dass diese Geschichte ein Gleichnis ist, und der Mensch, der es kennt,
findet nach dem Tode Befreiung und Wohlergehen. Was als gefährliche Wildnis
beschrieben wird, ist der grosse Kreislauf der Geburten. Der schwer zugängliche
Wald ist das Dickicht des Samsara. Die Raubtiere sind die Krankheiten (Vyadhi),
die uns heimsuchen. Und die Frau mit dem riesigen Körper, die dort lebt,
sie ist nach Meinung der Weisen das Alter (Jara), das uns Farbe und Schönheit
raubt. Was den Brunnen anbelangt, er ist der materielle Körper der Lebewesen.
Und die Riesenschlange, die auf dem Grund des Brunnens wohnt, das ist die Schicksal
bedeutende Zeit (Kala); sie zerstört alle Wesen, die einen Körper besitzen,
und sie ist die Vernichterin aller Dinge. Und die Liane in der Mitte des Brunnens,
an deren Ranken der Mann hängt, ist die Lebenshoffnung der Geschöpfe.
Der Elefant mit den sechs Mäulern, der den Baum umwandelt, welcher an der
Brunnenöffnung steht, gilt als das Jahr; seine sechs Mäuler sind die
Jahreszeiten, seine zwölf Beine die Monate. Die Mäuse, die eifrig bemüht
sind, an der Ranke zu nagen, sie sind die Nächte und Tage - so erklären
es diejenigen, die über die Lebewesen innerhalb der materiellen Welt nachgedacht
haben. Die Lianen schließlich gelten als unsere Wünsche, und die vielfältigen
Honigströme sind als Wunschsäfte bekannt, in die die Menschen eintauchen.
Diejenigen, die so über den Kreislauf der Geburten Bescheid wissen, zerschneiden
die Fesseln, mit denen sie an ihn gebunden sind."
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