-
Spiegelung im Wasser -
|
Die
Welt als verzerrte Spiegelung der spirituellen Realität
Die
im JETZT erfahrene materielle Welt ist zum Zeitpunkt des Erlebens existent, bzw.
eine Realität. Die Zeit ist jedoch die Vernichterin der materiellen Realitäten.
Was heute existiert, muss morgen nicht mehr sein. Materie ist im Strom der Zeit
beliebig umformbar. Es ist die Zeit, die alles erschafft, für eine zeit lang manifestiert,
und dann wieder vernichtet.
Dennoch
hat diese endlos wandelbare Welt etwas Beständiges, etwas von realem Wert für
den Suchenden: Sie ist die verzerrte Spiegelung der spirituellen Realität.
Der reale Hintergrund hinter der zeitweiligen Spiegelung ist die ewige transzendentale
Realität.
Der
Spiegelung fehlen jedoch immer die Dimensionen des Gespiegelten. Als Analogie
aus dieser Welt mag das Spiegelbild eines glatten Teiches dienen:
Wir sehen durch die Reflektion der Wasseroberfläche das 2-dimensionale Bild des
Gespiegelten. Doch gibt das Spiegelbild nur eine Ahnung von der gespiegelten Realität.
Es fehlt z.B. die 3-Dimensionalität der Umgebung, die Möglichkeit Bäume zu fühlen,
Blumen zu riechen, Vogelgezwitscher zu hören, einen Luftzug zu fühlen usw.
Dennoch
kann ein Spiegelbild, mag es auch verzerrt und trüb sein, die Erinnerung an das
Gespiegelte erwecken. Durch den Fokus des Suchenden auf das Spirituelle können
also aus der Wahrnehmung dieser materiellen Welt Erinnerungen der Seele an die
wahre spirituelle Natur geweckt werden.
Die
Mängel des Spiegelbildes
-
Staubiges Spiegelbild -
|
In
der Reflektion, der materiellen Welt, fehlen die Dimensionen der Natur der Seele.
Da wir meistens nur die materielle Welt wahrnehmen, herrscht ein stetiger Mangel.
Die Seele ist von Natur aus ewig, voller Bewusstsein und voller Freude.
Der Mangel entsteht grundsätzlich aus:
-
der Vergänglichkeit dieser Welt
-
dem eingeschränkten und bedeckten Bewusstsein - den stetig wiederkehrenden
leidvollen Erfahrungen.
Die
Erfahrung von Leid, Vergänglichkeit und bedecktem Bewusstsein ist nicht eine "böse
Absicht Gottes", sondern lediglich die natürliche Folge aus dem Wunsch, ein
von Gott abgewandtes egozentriertes Leben zu führen.
Die
ewige Seele ist unbegrenzt und kann daher durch etwas Begrenztes und Zeitweiliges
niemals zufrieden werden. Nur die Unbegrenztheit Gottes erfüllt sämtliche Bedürfnisse
der Seele, ohne die direkte Gotteserfahrung kann die Seele nicht dauerhaft glücklich
sein.
Illusionen
-
Spiegelbild als pervertierte Reflektion der Substanz -
|
Illusionen sind in unserer
Welt der Normalzustand, nicht die Ausnahme. Jeder hat seinen "Filter"
der Realität, die Ego-Brille mit persönlich gefärbten Gläsern.
Zu einem gewissen Mass sieht jeder nur das, was er gewohnt ist zu sehen oder was
er sehen möchte (Resonanzgesetz).
Doch selbst wenn man die
Welt der manifestierten Materie ohne Filter wahrnehmen würde, müsste
man erkennen, dass diese auch ohne Filter eine relative Realität ist. Relativ
deshalb, weil sie vergänglich ist. Die Realität von heute ist die
Vergangenheit von Morgen und somit nicht mehr existent.
Auf dem Weg zu Krishna
geht es unter anderem darum, relative Realitäten als zeitweilige Illusionen
zu erkennen und sich der unvergänglichen transzendentalen Realität Krishnas
Schritt für Schritt wieder zu nähern. Dazu sollte man jedoch vorsichtig
reflektiert, ob die eigene Wahrnehmung auch tatsächlich die Transzendenz
erfasste, oder ob die Wahrnehmung ein Konstrukt des eigenen Geistes (manas) ist.
Die Heiligen der Vaisnava-Kultur
geben eine bildliche Analogie. Jemand will Dir helfen, den Mond am Himmel zu finden:
"Schau hier oben im Baum über dem rechten dicken Ast siehst Du den Mond!".
Genauso können Dir heilige Schriften, oder weise Transzendentalisten zeigen,
wohin Dein Fokus gerichtet werden muss, um Gott, Krishna zu erkennen. Den leuchtenden
Mond jedoch muss man selber sehen! Wer in die Äste schaut und die Äste
für den Mond hält, irrt sich. Genauso sollte man nicht die poetischen
Worte heiliger Schriften oder angesehener Heiliger für die Transzendenz,
die spirituelle Realität selber halten. Die Worte enthalten grundsätzlich
immer noch unsere persönlichen Assoziationen zu dieser Welt.
Wir müssen genauso
wie wir den Mond selber erkennen müssen, auch Krishna selber wahrnehmen und
erleben. Die persönliche Wahrnehmung Krishnas und der liebevolle Austausch
zwischen uns Seelen und Gott ist die spirituelle Realität. Wer sich für
spirituell fortgeschritten hält, jedoch seine Wahrnehmungen lediglich um
den "Filter" der Konzepte heiliger Schriften erweitert, befindet sich
potentiell auf dem Irrweg der "spirituellen" Illusionen.
Bei Menschen mit Anfälligkeit
auf psychische Erkrankungen können spirituelle Illusionen pathologische Formen
annehmen.
Menschen in "spirituellen"
Illusionen sind oft stark gefangen in Ihren eigenen Denkmustern und von aussen
kaum zu beeinflussen, da oft die Neigung zur ehrlichen Selbstkritik fehlt, und
äussere Anstösse zur Selbstkritik lediglich eine starke Abwehrreaktion
auslösen.
Spirituelle Realität
als Ziel
Wenn etwas beschrieben werden
soll, was jenseits unserer Wahrnehmung und somit unserer Erfahrungen liegt, fehlen
die Bezugspunkte. Jegliche Beschreibungen werden von uns in den eigenen Erfahrungen
gespiegelt. Da wir (das Selbst, die Seele) jedoch transzendental bzw. spirituell
sind, können bei Beschreibungen über die spirituelle Realität tiefste
Er-Innerungen und Sehnsüchte erwachen. Beschreibungen der transzendentalen
Realität können Tore sein, durch welche wir die Transzendenz erblicken
können. Aus der mir bekannten Vaisnava-Tradition sind heute zahlreiche literarische
Werke frei zugänglich, welche Beschreibungen der vertraulichen Spiele Gottes
in dieser Welt wie auch in der spirituellen Welt (der transzendentalen Dimension)
enthalten.
Die Spirituelle Realität
wird als eine unendliche, ewig währende Welt beschrieben. Diese Welt leuchtet
aus sich heraus, und besteht aus der Form-gewordenen-Liebe zwischen Krishna und
den Lebewesen. Unter dieser Form-gewordenen Liebe sollte man kein
materielles Konzept vermuten. Es ist die reine Liebesenergie (prema bhakti), welche
eine für den Transzendentalisten sichtbare Gestalt annimmt und Grundlage
für die göttlichen Spiele (lila) zwischen Krishna und den individuellen
Seelen ist.
Die transzendentale Natur der Seele erblüht in der direkten Gemeinschaft
mit Krishna. Von der Egozentrik befreit, entfaltet die reine Seele ihr transzendentales
Wesen durch ihre Beziehung mit Krishna. Der liebevolle Austausch zwischen Krishna
und den individuellen Seelen ist die Substanz, aus welcher der wahre Körper
des Atma zum Vorschein tritt. Dieser leuchtende Körper trägt
keine Schwingung selbstischer Motive mehr in sich. Die Form, die Schönheit
und der Schmuck des transzendentalen Körpers ist die direkte Manifestation
der überschäumenden Liebe der Seele zu Gott.
Jegliche Eigenheit des wahren Selbst ist durchdrungen vom Wunsch, Krishna/Gott
zu erfreuen, seine Liebe Krishna darzubringen, Krishna zu beglücken, sich
Krishna hinzugeben.
Wenn der Atma durch seine
Hingabe Krishnas transzendentale Freude zu steigern vermag, so erfährt er
eine unbeschreibliche transzendentale Ekstase (prema). Je mehr das Lebewesen seine
selbstischen Wünsche nach der eigenen Zufriedenheit aufgibt und sich nur
noch in die Hingabe zu Krishna versenkt, desto stärker wächst die transzendentale
Freude (prema) der unverhüllten Seele.
Die Illusion - maya shakti
In der spirituellen Welt
ist das Bewusstsein und die Wahrnehmung eines jeden Atma auf Gott, Krishna, ausgerichtet.
Aus spiritueller Perspektive ist Gott der Allanziehende und für die Seelen das
Zentrum jeglicher Wahrnehmung.
Unsere hier wahrnehmbare
materielle Welt, ist ein Übungsfeld für jene Seelen, die selber im Zentrum stehen
wollen und ein ego-zentriertes Leben führen möchten ohne Gott. Um diesen Wunsch
der Seelen zu erfüllen, manifestiert Gott die illusionierende Energie - maya.
Der freie Wille ist ein
Grundrecht jedes Individuums. Er ist Grundlage und Voraussetzung für Liebe. Ohne
freien Willen wäre alles Zwang. Durch freien Willen kann jede Seele wählen, ob
sie Gemeinschaft mit Gott haben will oder nicht.
Die Maya-Energie ist erforderlich,
um uns die Freiheit zu gewähren, Gott nicht direkt wahrzunehmen. Die illusionierende
Energie bewirkt, dass der atma im Zentrum seiner Wahrnehmungen steht. Alles was
wahrgenommen wird, scheint einen direkten oder indirekten Zusammenhang mit dem
Wahrnehmenden zu haben. Die Maya-Energie verschleiert die tatsächliche Omnipräsenz
von Gott.
Maya ist also ein Bewusstseinszustand,
der entsteht, wenn wir unsere ursprüngliche spirituelle Identität vergessen und
uns mit vergänglichen materiellen Formen identifizieren. Identität und Identifikation
sind nicht dasselbe!
Der verwirklichte Transzendentalist
kann diese zeitweilige Welt der Materie durchaus als Realität wahrnehmen und sich
darin bewegen, doch weder identifiziert er sich damit, noch sieht er sie als getrennt
von Gott an, er sieht überall in dieser Welt die Präsenz Gottes.
Die Materie als solche ist
keine Illusion, sie ist eine zeitweilig auftretende Erscheinung, die sich ständig
wandelt und wieder vergeht. Die spirituelle Seele hat im Grunde genommen eigentlich
nichts mit der vergänglichen Materie zu tun, da sie Teil der spirituellen
Natur Gottes ist.
Die Seele als Teil Gottes
Die Seele ist von der Natur
her von Gott nicht verschieden, sie ist ebenso transzendental wie Gott Selbst,
ebenso rein und ewig. Gott ist jedoch mehr als die Gesamtsumme aller Seelen/ Individuen.
Alle Seelen/ Individuen gehen von Gott aus, und dennoch wird Gott nicht "weniger".
Obwohl die Seele einerseits
von Gott nicht verschieden ist, besteht dennoch ein Unterschied zwischen den endlos
vielen Seelen und Gott. Gott ist der Ursprung aller Seelen, Er ist die
Überseele, die im Herzen eines jeden Lebewesens weilt. Er ist sich über seine
gesamte unendliche Schöpfung bewusst, wohingegen das Bewusstsein der Seelen nie
alle Aspekte der Schöpfung durchdringen kann. Gott ist das Absolute Individuum,
wohingegen die unzähligen Seelen relative Individuen sind. Relativ daher, da sie
ihrer Natur nach immer in Beziehung (= Relation) zum Absoluten Individuum, zu
Gott stehen.
Diese gleichzeitige Einheit
und Verschiedenheit (acintya bheda abheda tattva)
von den Seelen und Gott kann logisch und empirisch nicht verstanden werden. Dennoch
kann der Transzendentalist diese Wahrheit in Beziehung zu Gott erleben.
So wie ein Tropfen Wasser
die gleichen Eigenschaften besitzt wie der Ozean, so besitzt das Lebewesen (die
Seele) die gleichen Eigenschaften wie Gott (beide sind ihrem Wesen nach spirituell),
jedoch kann das Lebewesen, (da es ein unenlich kleines Teilchen von Gott ist)
niemals Gott Selbst werden.
Obwohl der Wassertropfen
qualitativ gleich ist mit dem Ozean, so besteht jedoch quantitativ ein großer
Unterschied. Der winzige Tropfen hat nicht die Kraft des Ozeans. Die winzige Seele,
als Teil Gottes, ist dem Ganzen immer untergeordnet und findet ihre Erfüllung
im liebevollen Dienst zum Herrn.
Die materielle Welt - eine verzerrte Spiegelung der spirituellen Welt
Diese
materielle Welt ist nur eine verzerrte Widerspiegelung der spirituellen Welt.
Sie ist der Schatten, die Abstraktion der spirituellen Welt, welche von echter
Substanz ist. Irgendwie hat unsere Seele, eine Bewohnerin der spirituellen Welt,
jede Erinnerung an diese substanzielle Welt verloren. Doch die Merkmale der spirituellen
Welt werden auf verdrehte Weise in diese materielle Welt heruntergespiegelt. Eben
diese Welt wird uns auf diese verzerrte und unverständliche Art von unseren
fehlerhaften Sinnen vorgetäuscht. Die schlafende Seele ist selbst für
diese Verzerrung verantwortlich. Es ist dies das unausweichliche Ergebnis der
falschen Nutzung des freien Willens, der ein fundamentales Prinzip der Seele ist.
Die Seele ist frei zu entscheiden, ob sie der Absoluten Wahrheit dienen will.
Genauso frei kann sie den gegenteiligen Weg einschlagen.
Dazu müssen wir zuallererst
einmal klar zu erkennen versuchen, daß die Welt, wie sie uns von den materiellen
Sinnen vorgegaukelt wird, nicht die Welt ist, mit der unsere Seele etwas zu tun
hat. Die Seele gehört zu ihrer eigenen, davon getrennten Welt. Sie ist nicht
bloß eine Abstraktion, noch ist die spirituelle Welt eines unserer materiellen
Hirngespinste. Gerade das Gegenteil davon ist die wirkliche Wahrheit.
- Bhagavad
Gita - wie sie ist - PDF
A.C. Bhaktivedanta
Swami prabhupada
|