Bhagavad
- Gita Wie Sie Ist
von
A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada
Original Ausgabe von 1974, Schloß Rettershof
Nur Vers Übersetzung
Kapitel
11. - Die universale Form
11.1
Arjuna sagte: Ich habe Deine Unterweisung in vertraulichen
spirituellen Angelegenheiten vernommen, die Du mir in Deiner
Güte verkündet hast, und meine Illusion ist von
mir gewichen.
11.2
O Lotusäugiger, ich habe von Dir im einzelnen über
das Erscheinen und Fortgehen aller Lebewesen und über
Deine unerschöpfliche Herrlichkeit gehört.
11.3
O größter aller Persönlichkeiten, o höchste
Gestalt, obwohl ich Dich in Deiner wirklichen Identität
hier vor mir sehe, möchte ich dennoch sehen, wie Du
in die kosmische Manifestation eingegangen bist. Zeige mir
bitte diese Deine Form.
11.4
O mein Herr, o Meister aller mystischen Kräfte, wenn
Du glaubst, ich sei fähig, Deine kosmische Form zu
betrachten, dann sei bitte so gütig, mir dieses universale
Selbst zu zeigen.
11.5
Der Höchste Herr sagte: Mein lieber Arjuna, o Sohn
Prthas, betrachte nun Meine Füllen - Hunderttausende
von verschiedenen göttlichen Formen, die vielfarbig
wie die See.
11.6
O Bester der Bharatas, sieh nur die verschiedenen Manifestationen
der Adityas, Rudras und aller Halbgötter. Betrachte
die Vielfalt, die niemand zuvor gesehen und von der niemand
jemals etwas gehört hat.
11.7
Was immer du auch sehen möchtest kann augenblicklich
in diesem Körper gesehen werden. Diese universale Form
kann dir alles zeigen, was du dir jetzt, wie auch in der
Zukunft wünschen magst. Alles ist hier vorhanden.
11.8
Doch mit deinen gegenwärtigen Augen kannst du Mich
nicht sehen. Deshalb gebe Ich dir göttliche Augen,
mit denen du Meinen mystischen Reichtum betrachten kannst.
11.9
Sanjaya sagte: O König, mit diesen Worten offenbarte
der Höchste, der Herr allermystischen Kraft, der Persönliche
Gott, Arjuna seine universale Form.
11.10-11
Arjuna sah in dieser universalen Form unbegrenzt viele Münder
und Augen. Alles war überwältigend. Die Form war
mit göttlichem, gleissendem Geschmeide geschmückt
und in viele Gewänder gekleidet. Wunderschöne
Girlanden bekränzten den Herrn und sein Körper
war mit wohlriechenden Ölen gesalbt. All dies war großartig
und erweiterte sich überall hin ins Grenzenlose. Dies
wurde von Arjuna geschaut.
11.12
Wenn Hunderttausende von Sonnen gleichzeitig in den Himmel
steigen, könnten sie dem Glanz der Höchsten Person
in dieser universalen Form vielleicht gleichkommen.
11.13
Arjuna konnte in der universalen Form des Herrn die grenzenlosen
Erweiterungen des Universums sehen, die sich alle an einem
Ort befanden, obwohl es ihrer viele Tausende waren.
11.14
Da Arjuna von Erstaunen überwältigt war und seine
Haare sich in Ekstase sträubten, brachte er dem Höchsten
Herrn seine Ehrerbietung dar und begann mit gefalteten Händen
zu beten.
11.15
Arjuna sagte: Mein lieber Krsna, ich sehe in Deinem Körper
alle Halbgötter und verschiedene andere Lebewesen versammelt.
Ich sehe Brahma auf dem Lotus, und ich kann auch Siva, viele
Weise und göttliche Schlangen erkennen.
11.16
O Herr des Universums, ich sehe in Deinem universalen Körper
zahllose Formen -Arme, Bäuche, Münder und Augen
- , die sich ins Grenzenlose ausdehnen. All dies hat kein
Ende, keine Mitte und keinen Anfang.
11.17
Der Anblick Deiner Form, die als Schmuck verschiedene Kronen,
Keulen und Feuerräder trägt, ist kaum zu ertragen,
da ein strahlender Glanz von ihr ausgeht, der feurig und
unermeßlich ist wie die Sonne.
11.18
Du bist das höchste, ursprüngliche Ziel; Du bist
der Vortrefflichste in allen Universen; Du bist unerschöpflich,
und Du bist der Älteste; Du bist der Erhalter der Religion,
der ewig Höchste Persönliche Gott.
11.19
Du bist der Ursprung, ohne Anfang, Mitte oder Ende. Du hast
zahllose Arme, und die Sonne und der Mond gehören zu
Deinen großen, unbegrenzten Augen. Durch Deinen strahlenden
Glanz erhitzt Du das gesamte Universum.
11.20
Obwohl Du eins bist, bist Du dennoch überall im Himmel,
in den Planeten und im Raum dazwischen verbreitet. O Erhabener,
während ich diese schreckliche Form betrachte, sehe
ich, daß die Bewohner aller Planetensysteme bestürzt
sind.
11.21
Alle Halbgötter geben sich Dir hin und gehen in Dich
ein. Sie fürchten sich sehr und singen mit gefalteten
Händen vedische Hymnen.
11.22
Die verschiedenen Manifestationen Sivas, die Adityas, die
Vasus, die Sadhyas, die Visvadevas, die beiden Asvins, die
Maruts, die Vorväter und die Gandharvas, die Yaksas,
die Asuras, und alle vollkommenen Halbgötter betrachten
Dich mit erstaunen.
11.23
O Starkarmiger, alle Halbgötter sind bestürzt,
da sie Deine vielen Gesichter, Augen, Arme, Bäuche,
Beine und Deine fürchterlichen Zähne sehen. Und
wie sie, so bin auch ich verwirrt.
11.24
O alldurchdringender Visnu, ich kann meinen Gleichmut nicht
länger bewahren. Wenn ich sehe, wie Deine leuchtenden
Farben den Himmel bedecken, und wenn ich Deine Augen und
Münder betrachte, überkommt mich Angst.
11.25
O Herr aller Herren, Zuflucht der Welten, bitte sei mir
gnädig. Ich kann meinen Gleichmut nicht bewahren, wenn
ich Deine lodernden, todesähnlichen Gesichter und Deine
fürchterlichen Zähne sehe. Ich bin völlig
verwirrt.
11.26-27
Alle Söhne Dhrtarastras stürzen zusammen mit ihren
Verbündeten Königen, mit Bhisma, Drona und Karna
und all unseren Soldaten in Deine Münder, wo ihre Köpfe
von Deinen Zähnen zerschmettert werden. Und ich sehe,
daß einige zwischen Deinen Zähnen auch zermalmt
werden.
11.28
Wie sich die Flüsse ins Meer ergießen, so stürzen
all diese großen Krieger in Deine lodernden Münder
und vergehen.
11.29
Und gleich Motten, die in ein loderndes Feuer jagen, so
sehe ich alle Menschen mit rasender Geschwindigkeit in Deine
Münder stürzen.
11.30
O Visnu, ich sehe, wie Du alle Menschen mit Deinen flammenden
Mündern verschlingst und das Universum mit Deinen unermeßlichen
Strahlen erfüllst. In dem Du die Welten versengst,
bist Du offenbar.
11.31
O Herr der Herren, schreckliche Gestalt, bitte sage mir,
wer Du bist. Ich bringe Dir meine Ehrerbietung dar, bitte
sei mir gnädig. Ich weiß nicht, was Dein Vorhaben
ist, doch ich möchte davon hören.
11.32
Der Höchste Herr sagte: Zeit bin Ich, die Zerstörerin
der Welten, und Ich bin gekommen, um alle Menschen in der
Schlacht zu verschlingen. Außer euch (den Pandavas)
werden alle Soldaten auf beiden Seiten erschlagen werden.
11.33
Darum erhebe dich und rüste dich zum Kampf. Nachdem
du deine Feinde besiegt hast, wirst du dich eines blühenden
Königreiches erfreuen. Durch Meinen Willen sind sie
bereits getötet worden, und du, o Savyasacin, kannst
in diesem Kampf nur ein Instrument sein.
11.34
Der Höchste Herr sagte: All die großen Krieger
wie Drona, Bhisma, Jayadrathaund Karna sind bereits getötet
worden. Kämpf nur, und du wirst deine Feinde vernichten.
11.35
Sanjaya sagte zu Dhrtarastra: O König, nachdem Arjuna
diese Worte vom Höchsten Persönlichen Gott vernommen
hatte, erbebte er und brachte Ihm ehrfürchtig, mit
gefalteten Händen, seine Ehrerbietungen dar und begann
stockend wie folgt zusprechen.
11.36
Arjuna sagte: O Hrsikesa, die Welt wird von Freude erfüllt,
wenn sie Deinen Namen hört, und somit fühlt sich
jeder zu Dir hingezogen. Während Dir die vollkommenen
Wesen ihre respektvollen Ehrerbietungen darbringen, werden
die Dämonen von Angst ergriffen und fliehen nach allen
Seiten. All das geschieht in rechter Weise.
11.37
O Erhabener, der Du selbst über Brahma stehst, Du bist
der ursprngliche Meister.Warum sollten sie Dir nicht ihre
Ehrerbietung darbringen, o Grenzenloser? O Zuflucht des
Universums, Du bist die unüberwindliche Quelle, die
Ursache aller Ursachen, und Du bist transzendental zur materiellen
Manifestation.
11.38
Du bist die ursprngliche Persönlichkeit, der Höchste
Gott. Du bist das einzige Allerheiligste der manifestierten
kosmischen Welt. Du weißt alles, und außer Dir
gibt es nichts zu erkennen. Du stehst über den materiellen
Erscheinungsweisen. O grenzenlose Form, die gesamte kosmische
Manifestation wird von Dir durchdrungen.
11.39
Du bist Luft, Feuer, Wasser, und Du bist der Mond. Du bist
der höchste Kontrollierende und der Großvater.
Daher bring ich Dir tausendmal und immer und immer wieder
meine respektvolle Ehrerbietung dar.
11.40
Ehrerbietungen seien Dir von vorne, von hinten und von allen
Seiten dargebracht. O ungebundene Kraft, Du bist der Herr
über unbegrenzte Macht. Du bist alldurchdringend, und
daher bist Du alles.
11.41-42
Ohne Deine Herrlichkeit zu kennen, habe ich Dich in der
Vergangenheit mit "oKrsna" , "o Yadava"
, "o mein Freund" angeredet. Bitte vergib mir,
was immer ich in Verrücktheit oder aus Liebe getan
haben mag. Ich habe Dich - manchmal allein und manchmal
vor vielen Freunden - viele Male beleidigt, während
wir uns ausruhten oder auf den gleichen Bett lagen oder
zusammen speisten. Bitte verzeih mir all meine Vergehen.
11.43
Du bist der Vater der gesamten kosmischen Manifestation;
Du bist der Herr, dem alle Verehrung gebührt, und Du
bist der geistige Meister. Niemand kommt Dir gleich, noch
kann jemand eins mit Dir sein. Es gibt niemanden in den
drei Welten, der Dich ermessen könnte.
11.44
Du bist der Höchste Herr, der von jedem Lebewesen verehrt
werden muß. Daher falle ich nieder, um Dir meine Ehrerbietung
zu erweisen und Deine Barmherzigkeit zu erflehen. Bitte,
übersieh die Kränkungen, die ich Dir zugefügt
haben mag, und dulde mich wie ein Vater seinen Sohn, ein
Freund seinen Freund oder ein Liebender seine Geliebte duldet.
11.45
Nachdem ich die universale Form gesehen habe, die ich niemals
zuvor sah, bin ich von Glück erfüllt; doch zur
gleichen Zeit ist mein Geist von Angst verwirrt. Sei mir
daher bitte gnädig, und offenbare wieder Deine Gestalt
als Persönlicher Gott, o Herr der Herren, Zuflucht
des Universums.
11.46
O universaler Herr, ich möchte Dich in Deiner vierarmigen
Gestalt sehen, mit behelmten Haupt und mit Keule, Feuerrad,
Muschelhorn und Lotus in Deinen Händen. Ich sehne mich
danach, Dich in dieser Form zu sehen.
11.47
Der Höchste Herr sagte: Mein lieber Arjuna, mit Freuden
habe Ich dir durch Meine innere Energie diese universale
Form in der materiellen Welt gezeigt. Niemand vor Dir hat
jemals diese unbegrenzte und gleisende Form gesehen.
11.48
O Bester der Kuru - Krieger, niemand vor dir hat jemals
diese Meine universale Form gesehen, denn sie kann weder
durch studieren der Veden noch durch Opferdarbringungen,
noch durch Wohltätigkeiten oder ähnliche Aktivitäten
gesehenwerden. Nur du allein hast sie gesehen.
11.49
Dein Geist ist verwirrt worden, weil du diese Meine entsetzliche
Erscheinung gesehen hast. Es soll nun genug sein. Sei frei
von aller Verwirrung; mit friedvollem Geist kannst du nun
die Gestalt sehen, nach der Du verlangst.
11.50
Sanjaya sagte zu Dhrtarastra: Da der Höchste Persönliche
Gott, Vasudeva (Krsna), so zu Arjuna sprach, offenbarte
Er Seine wirkliche, vierarmige Form und zeigte ihm schließlich
Seine zweiarmige Gestalt, um so den furchtvollen Arjuna
zu ermutigen.
11.51
Als Arjuna Krsna in Seiner ursprünglichen Gestalt sah,
sagte er: O Janardana, da ich diese menschenähnliche
Gestalt sehe, die so überaus schön ist, ist mein
Geist beruhigt und mein ursprüngliches Wesen wieder
hergestellt.
11.52
Der Höchste Herr sagte: Mein lieber Arjuna, die Gestalt,
die du nun erblickst, ist sehr schwer zu schauen. Sogar
die Halbgötter suchen stets die Gelegenheit, diese
Gestalt zu sehen, die so lieblich ist.
11.53
Diese Gestalt, die du nun mit deinen transzendentalen Augen
siehst, kann man weder durch Studieren der Veden verstehen,
noch durch strenge Bußen, Wohltätigkeit oder
Verehrung. Nicht mit diesen Mitteln kann man Mich sehen,
wie Ich bin.
11.54
Mein lieber Arjuna, allein durch uneingeschränktes
hingebungsvolles Dienen kann Ich verstanden werden, wie
Ich bin und vor dir stehe, und kann so direkt gesehen werden.
Nur so kannst du in die Geheimnisse Meines Verstehens eindringen.
11.55
Mein lieber Arjuna, wer in Meinem reinen hingebungsvollen
Dienst beschäftigt ist, frei von den Verunreinigungen
vorangegangener Aktivitäten und frei von gedanklichen
Spekulationen, und wer jedem Lebewesen ein Freund ist, gelangt
ganz sicher zu Mir.
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