Mahabharata, Adi Parva, Kapitel 106

Geburt der Brüder Dhritarashtra, Pandu und Vidura

Nachdem die monatliche Periode der Prinzessin von Kosala vorüber war und Satyavati ihre Schwiegertochter gebadet hatte, führte sie jene in das Schlafzimmer. Sie ließ sie auf einem luxuriösen Bett Platz nehmen und sprach sie folgendermaßen an: "O Prinzessin von Kosala, dein Ehemann hat einen älteren Bruder, der heute deinen Schoß als dein Kind betreten wird. Warte heute Nacht auf ihn, ohne einzuschlafen." Als die reizende Prinzessin diese Worte ihrer Schwiegermutter hörte, begann sie an Bhishma und die anderen Oberhäupter des Kuru Geschlechtes zu denken, als sie auf ihrem Bett lag. Darauf betrat der die Wahrheit sprechende Rishi, der sein Versprechen zuerst in bezug auf Amvika (die ältere der Prinzessinnen) gegeben hatte, bei angezündeter Lampe das Zimmer. Als die Prinzessin sein finsteres Angesicht, sein verfilztes, kupferfarbiges Haar, seine lodernden Augen und seinen grimmigen Bart sah, da schloß sie vor Angst die Augen. Der Rishi nahm sie dennoch an, um die Wünsche seiner Mutter zu erfüllen. Doch sie war von Furcht erfüllt und öffnete nicht auch nur einmal die Augen, um ihn anzusehen. Und als Vyasa ging, traf er seine Mutter an, die ihn fragte: "Wird die Prinzessin einen vollendeten Sohn haben?" Dies hörend, antwortete er: "Der Sohn, den die Prinzessin zur Welt bringen wird, soll so mächtig wie zehntausend Elefanten sein. Er wird ein berühmter königlicher Weiser sein, der über große Gelehrtheit und Intelligenz und Energie verfügt. Dieser Edle soll zu seiner Zeit einhundert Söhne haben. Doch wegen dem Fehl seiner Mutter wird er blind sein." Auf diese Worte ihres Sohnes sagte Satyavati: "O mächtiger Asket, wie kann einer, der blind ist, ein Monarch werden, der den Kurus würdig ist? Wie kann jemand, der blind ist, der Beschützer seiner Verwandten und Familie werden und die Herrlichkeit des Geschlechts seines Vaters? Bitte gib den Kurus einen anderen König." Vyasa sagte "So sei es" und ging davon. Und zu gegebener Zeit brachte die erste Prinzessin von Kosala einen blinden Sohn zur Welt.

Bald danach rief Satyavati den Vyasa, nachdem sie die Zustimmung ihrer Schwiegertochter sichergestellt hatte. Vyasa kam, gemäß seinem Versprechen, und suchte, wie zuvor, die zweite Frau seines Bruders auf. Als Ambalika den Rishi erblickte, wurde sie bleich vor Angst. Und als Vyasa sie so erschrocken und bleich vor Angst sah, sprach er sie an und sagte: "Weil du beim Anblick meines grimmigen Angesichts bleich vor Angst geworden bist, soll dein Kind einen bleichen Teint haben. O du mit schönem Angesicht, auch der Name, den dein Kind tragen wird, soll Pandu (der Bleiche) sein." Nachdem er dies gesagt hatte, kam der berühmte und Beste der Rishis aus ihrer Kammer heraus. Und als er herauskam, traf er auf seine Mutter, die ihn nach dem zukünftigen Kind fragte. Der Rishi sagte ihr, daß das Kind einen bleichen Teint haben und unter dem Namen Pandu bekannt sein würde. Wieder bat Satyavati den Rishi um ein anderes Kind und der Rishi antwortete mit: "So sei es." Als die Zeit kam, brachte Ambalika einen Sohn mit bleichem Teint zur Welt. Das Kind war überaus schön und verfügte über alle verheißungsvollen Zeichen. In der Tat, es war dieses Kind, das später der Vater jener mächtiger Bogenschützen, der Pandavas, wurde.

Einige Zeit danach, als die Ältere von Vichitraviryas Witwen wieder ihre monatliche Periode der Fruchtbarkeit erlangt hatte, wurde sie von Satyavati gebeten, Vyasa noch einmal aufzusuchen. Sich an das grimmige Angesicht und den strengen Geruch des Rishi erinnernd, verweigerte die Prinzessin, die so schön war wie die Tochter eines Himmelsbewohners, die Bitte ihrer Schwiegermutter. Sie sandte ihm jedoch eine ihrer Maiden, die so schön wie eine apsara und mit ihrem eigenen Schmuck geschmückt war. Und als Vyasa ankam, stand die Maid auf und begrüßte ihn. Sie diente ihm respektvoll und setzte sich neben ihn, als sie dazu aufgefordert wurde. Der große Rishi, der strenge Gelübde einhielt, war sehr zufrieden mit ihr, und als er aufstand um zu gehen, sprach er sie an und sagte: "Liebenswürdige, du sollst nicht länger eine Sklavin sein. Auch dein Kind soll sehr vom Glück begünstigt und tugendhaft sein, der Beste aller intelligenten Menschen der Erde!" Jener so von Krishna-Dwaipayana mit ihr gezeugte Sohn wurde später unter dem Namen Vidura bekannt. Auf diese Weise war er der Bruder von Dhritarashtra und dem berühmten Pandu. Vidura war frei von Begierde und Leidenschaft, er war mit den Gesetzen der Regierung vertraut und er war der Gott der Gerechtigkeit, der auf der Erde, aufgrund des Fluches des erhabenen Rishi Mandavya, geboren wurde. Als Krishna-Dwaipayana seine Mutter wie zuvor traf, informierte er sie darüber, wie er von der älteren Prinzessin betrogen worden war und wie er einen Sohn mit einer sudra Frau gezeugt hatte. Als er dies seiner Mutter gesagt hatte, verschwand der Rishi aus ihrer Sicht.

So wurden im Feld von Vichitravirya, sogar von Dwaipayana, diese Söhne geboren, jene Nachfahren des Kuru Geschlechtes, die so prächtig waren, wie die Kinder der Himmelsbewohner.

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