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Chant and Be Gay
Nichtheterosexualität in der Hare Krishna Bewegung


bei Jaya Badhra prabhvi -
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1. Einleitung

Balaram umarmt KrishnaVor ein paar Jahren, als ich an einem theologischen Seminar teilnahm, zitierte ich während einer Gruppendiskussion über Nichtheterosexualität den folgenden Vers aus der Bhagavad-Gita: „O Nachkomme Bharatas, o Bezwinger der Feinde, alle Lebewesen werden in Täuschung geboren, verwirrt von Dualitäten, die aus Verlangen und Haß entstehen.“ (Bhagavad-Gita 7.27). Mit einer schnellen Antwort witzelte eine angesehene, ältere Lady: „Das hängt sicherlich davon ab, auf welchen „Juckreiz“ (eng. itch, Anm. d. Übers.) es sich bezieht!“ Indem sie ein Wortspiel mit dem Begriff „iccha“ oder „Begierde“ machte, spielte sie auf das Konzept an, dass weltlicher Genuss von Sexualität lediglich das Kratzen eine Juckreizes ist. Aber sie (und die anderen Teilnehmer der Diskussion) bemerkten meine eigentliche Intention, die mehr etwas mit dem Wort „dvena“ oder „Hass“ zu hatte, nicht sofort. Weil die Diskussion eine Wendung genommen hatte, die Nichtheterosexuelle als Klasse an sich verunglimpfte, versuchte ich, sie zu einem ausgeglicheneren und philosophischen Ansatz zurückzubringen.

Als Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Krishna Bewusstsein (ISKCON), einer Gesellschaft, die jegliche Art von Sexualität philosophisch und sozial herunterspielt, finde ich es wertvoll zu untersuchen, wie mit Nichtheterosexualität in ISKCON umgegangen wird. Während ISKCONs Gründer A.C. Bhaktivedanta Swami Prabhupada (1896-1977) sich stark gegen „Homosex“ ausgesprochen hat, waren seine persönlichen Beziehungen mit Nichtheterosexuellen, sowohl innerhalb als auch außerhalb ISKCONs, weder verurteilend noch diskriminierend. Allgemein hat er alle und jeden dazu ermutigt, zu „chanten und glücklich zu sein“ und in voranschreitendem Maße ihre Existenz zu reinigen.

Wie nehmen ISKCON Mitglieder Prabhupadas Lehre und Beispiel in Bezug auf Nichtheterosexualität auf? Gibt es eine abwertende Sicht von Nichtheterosexuellen als Klasse? Wenn ja, wie passt das in die integrative spirituelle Weltsicht, die ISKCON propagiert? Könnten ISKCON Mitglieder ihre Predigerarbeit für ihr nichtheterosexuelles Publikum und ihre Mitglieder verbessern, wenn sie mehr darüber wüssten, was Nichtheterosexualität ausmacht? Diese Studie mag auch einen Blick darauf erlauben, wie ISKCON, die im Allgemeinen als eine religiöse Minderheit außerhalb Indiens gesehen wird, mit ihren eigenen internen Minderheiten umgeht.

2. Ein Blick in die Literatur

In Is Gay Good? Ethics, Theology, and Homosexuality, machte H. Kimball Jones (1971) die folgende Aussage:

Um zu einer vernünftigen Einstellung jedwedes Themas zu kommen, über das die Sozialwissenschaften nützliche Informationen bieten können, hat eine Person die Verantwortung, sich soviel wie nur möglich diese Informationen anzueignen. Das ist keine leichte Aufgabe in einem solchen Bereich wie der Homosexualität, wo eine große Menge an neuem relevantem Material jedes Jahr veröffentlicht wird ... Genauso wichtig ist die direkte Konfrontation zwischen Theoretiker und diejenigen, über die er theoretisiert. So nützlich Literaturrecherche auch sein kann (ich möchte ihre Bedeutung nicht abwerten), kann sie nicht als alleinige Basis für verantwortungsvolle theologische oder ethische Aussagen über ein Problem wie Homosexualität dienen. (Jones, 1971, 144-5)

Jones befürwortet zwei Herangehensweisen an Nichtheterosexualität, die eine informierte und ethische Perspektive ermöglichen würden: persönliche Bildung über Nichtheterosexualität und Dialog mit Nichtheterosexuellen. Er wies ebenfall darauf hin, dass beides im „Geiste der Offenheit“ geschehen sollte. (Jones, 1971, 142).

Krishna umarmt GopakumaraEs scheint als ob ISKCONs Führungskräfte und Mitglieder von einer solch gedankenvollen Einstellung eines erfahrenen und reifen Theologen gewinnen könnten. Ein ISKCON Mitglied könnte auf einen solchen Ratschlag antworten, dass Prabhupadas Sicht von Nichtheterosexualität einheitlich und eindeutig war. Im Höhepunkt der sexuellen Revolution in Amerika predigte Prabhupada mutig dass Sexualität, selbst in der Ehe, nur für Zeugung von Kinder gedacht sei. Natürlicherweise folgte daraus, dass seine Sicht von „Homosex“, wie er es nannte, nicht gerade bejahend war, was zu sprechen von nichtheterosexueller Heirat: „Jetzt unterstützen die Priester Homosex. Ich bin überrascht. Sie werden eine Resolution für Hochzeiten zwischen Mann und Mann verabschieden. Die menschliche Gesellschaft ist zu einer solch degradierten Position heruntergekommen. Es ist erstaunlich.“ (VedaBase, 2003, Coversation with the GBC – May 25, 1972, Los Angeles).

So verachtend Prabhupadas Aussagen auch erscheinen, sein freundlicher Austausch mit Nichtheterosexuellen, wie Allan Ginsberg, deuten auf die Abwesenheit von Böswilligkeit in dieser Sache hin; in den 1950ern und 60ern war Ginsberg unter anderem für sein öffentliches Eintreten für Nichtheterosexualität bekannt. Ginsberg sprach offen mit Prabhupada über seinen schwulen Aktivismus und obwohl Prabhuda das nicht guthieß blieb er Ginsberg gegenüber immer respektvoll und sympathisch. (Prabhupada 1991, 290). Prabhupadas freundliches Verhalten beschränkte sich nicht auf Berühmtheiten wie Ginsberg. Eine Reihe von Aussagen belegen, dass Prabhupada Nichtheterosexuelle nicht anders behandelte als andere, obwohl seine Statements über Homosexualität beleidigend wirkten. Sind ISKCON Mitglieder fähig, Prabhupadas Neutralität nachzueifern, und falls nicht, kann eine besser informierte Perspektive bezüglich Nichtheterosexualität hilfreich sein?

Carol T. Tully (2000, 1) stellt in diesem Zusammenhang in Lesbians, Gays and the Empowerment Perspective fest, dass es genügend zugängliche Daten gibt, um zu überprüfen, dass gleichgeschlechtliche Anziehung so alt ist wie die Menschheit, und dass auf dieser Anziehung basierendes Verhalten zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten verurteilt, akzeptiert oder sogar erwartet wurde. In ihrer Veröffentlichung wird auch behauptet, dass der Begriff „Homosexualität“ relativ modern ist und 1869 von Karl M. Kertbeny, einem deutsch-ungarischen Autor, Übersetzer und Journalist, erfunden wurde.

Bhakti Ananda Goswami weist in seinem Artikel Modern Biology and the Concept of a „Third Sex“ darauf hin, dass die umfangreichen Forschungen, die zum Thema „Intersexuelle Bedingungen“, „gleichgeschlechtliche Anziehung" und „sexuelle Orientierung“ unternommen worden sind, zeigen, dass Begriffe wie „intersexuell“ und „homosexuell“ in sich selbst Versimplifizierungen einer Kategorie von Individuen sind, deren psychophysische Verfassungen immens variieren. Die gut dokumentierten Details diesbezüglich haben deren Vielfalt unterstrichen, und erlauben keineswegs eine Zuordnung zu einer alleinigen biologischen Ursache oder einem einzigen Mechanismus (Goswami, n.d., 2).

Unglücklicherweise hat dies eine solche Reduzierung der Zusammenhänge nicht gestoppt. Zum Beispiel wurde 1953 „Homosexualität“ von der American Psychiatric Association (APA) als eine „soziopathische Persönlichkeitsstörung“ klassifiziert. Aus dieser Diagnose entwickelten sich verschiedene Revisionen bis die APA 1974 Nichtheterosexualität nicht mehr als pathologisch bezeichnete, während sie es Personen, die sich mit ihren persönlichen erotischen Neigungen nicht wohl fühlen, immer noch erlaubt, sich für „sexuellen Orientierungsstress“ behandeln zu lassen. Aber das Stigma der Diagnose von 1953 schwelt weiter dahin; soziologische Forschungen der APA brachten Beweise dafür, dass Psychiater an vielen Orten (zum Beispiel Belarus, Brasilien, China, Indien, Polen, Rumänien, Spanien und Venezuela) Nichtheterosexualität immer noch als mentale Störung behandeln. (Murphy, 1997, 51)

Krishna umarmt GopakumaraWährend wissenschaftliche Forschung bezüglich sexueller Orientierung oft dazu neigt, Nichtheterosexuelle zu ignorieren oder ihnen feindlich gegenüber eingestellt ist, hat sie in einigen Fällen dazu beigetragen allgemeine Illusionen über Nichtheterosexualität aufzuklären. Solche Forschung hat beispielsweise offenbart, dass es keinen grundsätzlichen psychologischen Unterschied zwischen „schwulen“ und „normalen“ Männern gibt, dass die Kinder von schwulen Paaren die sexuelle Orientierung ihrer Eltern nicht eher annehmen, und dass Nichtheterosexualität nicht ansteckend oder störend ist. (Murphy, 1997, 57)

Damit wissenschaftliche Forschung bezüglich sexueller Orientierung wirklich wissenschaftlich und ethisch ist, „muss sie die Existenz einer wissenschaftlich bedeutungsvollen Klasse von homosexuellen Menschen voraussetzen.“ (Murphy, 1997, 58). Vorgeschlagene Bereiche der Forschung könnten dann die Natur und Ursache von Homophobie, und zu welchem Gad sie mit latenten homosexuellen Tendenzen zusammenhängt, beinhalten:

Ungerechtigkeit in Bezug auf sexuelle Orientierung ist nicht eine Erfindung der wissenschaftlichen Forschung, und der Kampf gegen die Ungerechtigkeit gegen Homosexuelle mag sehr wohl von starken Forschungsprogrammen abhängen, die es ermöglichen, boshafte und fälschliche Ansichten über die Natur und Ursache von Homoerotik zu falsifizieren. (Murphy, 1997, 59)

In seinem unveröffentlichten Papier mit dem Titel Vaishnava Moral theology and Homosexuality stellt Hrdayananda dasa Goswami heraus, dass innerhalb der Ehe Geschlechtsverkehr, der nicht ausdrücklich aus dem Grund der Kinderzeugung ausgeführt wird, natürlicherweise verziehen wird, weil nur das die Ebene ist, auf der viele (auch respektable) Haushälter leben können und wird deswegen als besser angesehen als außerehelicher Sex. Er fragt dann: „Ist der Grundsatz, das weniger Schlimme zu wählen, nur für Heterosexuelle gültig, oder ist er auch eine notwendige Strategie für Homosexuelle?“ Er schlußfolgert in seinem Positionspapier: „ISKCON muss ernsthafte Devotees ermutigen, die zeitweise, ohne böse Absicht, und in vernünftigen Grenzen, das weniger Schlimme wählen, um sich selbst auf dem spirituellen Pfad zu stabilisieren. Dieses Prinzip gilt für menschliche Sexualität zwischen beidseitig einwilligenden Erwachsenen.“ (dasa Goswami, 2005, 24)

Goswamis Schlußfolgerung war von zahlreichen Vaisnava-Referenzen und Betrachtungen unterstützt und deutete darauf hin, dass er auf natürliche Art und Weise das integriert hatte, was wissenschaftliche Forschung offenbart. Individuelle Körper sind verschieden konstituiert, und die Anerkennung dieser grundlegenden menschlichen Realität ist nötig, um die individuelle und kollektive Gesundheit einer spirituellen Gemeinschaft zu sichern.

3. Methodologie

Da ich einen qualitativ-beschreibenden Ansatz wählte, entwarf ich den folgenden Fragebogen mit vier offenen Fragen:

Balaram umarmt inniglich Krishna
  1. Wie siehst Du Homosexualität?

  2. Was sind Deine Richlinien im Umgang mit homosexuellen Devotees:

    1. In Deinem Tempel Ashram

    2. In Deiner Gemeinde

    3. Unter Deinen Freunden und Familie

  1. Was ist Deine Sicht bezüglich homosexueller Partnerschaft / Ehe

  2. Im Umgang mit dem Thema der Homosexualität, sei es unter Devotees oder sei es bei der Predigerarbeit, wie verstehst Du Aussagen von Srila Prabhupada wie die folgenden?

"So wie Du mir gestern erzählt hast, dass die Studenten über Schwulensex reden. Das bedeutet Tama-Guna, dass die Bildungs-Studenten über Schwulensex diskutieren. Das bedeutet Tama-Guna, lustvolle Wünsche, sehr deutlich, und wie man sie erfüllt, mit Schwulensex oder durch Sex mit einer Frau. Das ist ihr Thema, kama. Jeder in dieser materiellen Welt ist mit Tama-Guna infiziert, all die lustvollen Wünsche, auf verschiedene Art und Weisen." (engl Original in VedaBase, 2003, Morning Walk, May 11, 1975 Perth

„Tiere haben keinen Schwulensex. Sie haben nie Sex zwischen Männchen und Männchen. Sie sind unter den Tieren.“ (VedaBase, 2003, Conversation with the GBC – May 25, 1972, Los Angeles).

 

Diese Fragen wurde per Email an 30 ISKCON Tempelpräsidenten auf der ganzen Welt verschickt und an die lokale Gemeinde von Radhadesh, die in den belgischen Ardennen liegt.

Es war nicht leicht die Daten zu sammeln. Ich habe 20 Antworten bekommen (17 Männer und 3 Frauen) von denen nur 5 Tempelpräsidenten waren. Unter den verbleibenden Befragten waren ein einweihender Guru und vierzehn "durchschnittliche" ISKCON Mitglieder. 18 der Befragten sind heterosexuell und zwei sind nichtheterosexuell.

Die Antworten auf die ersten drei Fragen, die die allgemeine Einstellung der Befagten zu Nichtheterosexualität beschreiben, wurden wie folgt eingeordnet: „verurteilend“, „tolerant“, „akzeptierend“ und „entgegenkommend“. Die Antworten aus der letzten Frage, die sich auf die Aufnahme von Prabhupadas Aussagen bezog, wurden kategorisiert als: „Verallgemeinerung“, „Warnung“, „faktisch “ und „inakkurat“. Die Daten wurden dann in Kreisdiagramme konvertiert, die an manchen Stellen von direkten Antworten der Befragten begleitet werden. Aus den Ergebnissen wurde allgemeine Prinzipien abgeleitet.

4. Resultate und Analysen

4.1 Allgemeine Herangehensweise

Antworten, die Wörter wie „dämonisch“, „abnormal“, „sündvoll“, „abweichend“ und „pervertiert“ wurden als „verurteilend“ bezeichnet. Es gibt 8 Antworten in dieser Kategorie. Anworten, die charakteristisch vorläufig sind und Wörter enthalten wie „solange wie“, „wenn“ und „sollte nicht“ wurden als „tolerant“ bezeichnet. Davon gibt es 7 Antworten. 1 Antwort, auf die der Begriff „akzeptierend“ passt, sieht die Komplexität von sowohl Heterosexualität als auch Homosexualität als weitgehend gleich an. Was diese Antwort von der Kategorie „entgegenkommend“ unterscheidet, sind Aussagen wie „ Wie sollten sie unterstützen ohne ihren Handlungen mit ihrem Partner / ihren Partnern zuzustimmen“ und „Wir sollten nicht direkt verurteilen, was sie tun“. Die vier „entgegenkommenden“ Antworten sind durch aufgeweckte intellektuelle Kommentare und Einsichten in die gleichgeschlechtliche Anziehung charakterisiert. Die Antworten sind grafisch hier dargestellt (Grafik 1):

4.2 Wie Mitglieder Prabhupadas Aussagen aufnehmen

Was die letzte Frage der Serie angeht, in der Devotees gebeten wurden, ihr Verständnis einiger von Prabhupadas Aussagen über Nichtheterosexualität auszudrücken, so haben drei Antworten die Aussage verallgemeinert mit dem Hinweis darauf, dass Prabhupada alle Arten von unbeschränkter Sexualität als extrem degradiert und schädlich für das spirituelle Leben angesehen hatte. Drei weitere Antworten empfahlen, sehr vorsichtig damit zu sein, solche Aussagen außerhalb des Kontextes zu zitieren. Während sechs der Befragten Prabhupadas Aussage als faktisch ansahen, haben acht Antworten, aus allen Kategorien (darunter auch „verurteilend“) darauf hingewiesen, das Prabhupadas Aussage nicht akkurat ist.

Darin eingeschlossen sind direkte Zitate aus der letzten Gruppen von Antworten: „Das zweite Zitat ist schwierig zu diskutieren, da Srila Prabhupada darin ein soziales Konstrukt anspricht, dass faktisch nicht existiert“; „Es ist interessant zu bemerken, dass dieses Zitat nicht ganz wahr ist.“; „Es sieht so aus, als ob Prabhupada nicht gut informiert war.“; „Es wird bei Manchen in ISKCON als häretisch angesehen, Srila Prabhupada die Kultur seiner Geburt und seines Aufwachsen zuzuschreiben, aber in dieser Angelegenheit scheint dies der Fall zu sein“; „Ich habe in Dokumentarfilmen gesehen, dass einige Tiere sich tatsächlich zeitweise homosexuell verhalten“; „[Name ausgelassen| sagte, dass er ein homosexuelles Hundepaar in Irland kenne“; „Jch habe Berichte über homosexuelles Verhalten oder Anziehung zwischen Tieren in den Nachrichten gehört, aber ich kann mich nicht erinnern, ob sie tatsächlich Sex miteinander hatten oder nur als Paar zusammen lebten“; „Ich möchte ein philosophisches Problem für Devotees ansprechen, dass eine viel größere Bedeutung für modernes Predigen haben könnte ... die obige Aussage ist falsch. Sie ist nicht wahr. Sie ist inkorrekt“.

5. Diskussion

5.1 Allgemeine Herangehensweise


Die Mehrheit der Befragten (40%) verurteilen Nichtheterosexualität. Dennoch ist es interessant zu beobachten, dass alle Antworten in dieser Kategorie, außer einer, durch variierende Grade von Mitleid gemildert wurden. Die zweitgrößte Kategorie, „tolerant“ (35%), scheint Personen mit nichtheterosexuellen Tendenzen willkommen zu heißen, solange sie ihre nichtheterosexuellen Aktivitäten gänzlich aufgeben. Alle Antworten aus der Kategorie „entgegenkommend“ (20%) erkannten an, dass unbegrenzte Sexualität problematisch für spirituelle Entwicklung ist, doch offene oder versteckte Anspielungen bezüglich Nichtheterosexualität im Besonderen wurden nicht gemacht. Diese Gruppe der Befragten befand es nicht für nötig Nichtheterosexuelle gesondert unter oder abseits von der sozialen Hauptgesellschaft zu platzieren. Die Minderheit der Befragten (5%), die Nichtheterosexualität als eine Klasse akzeptierten, zeigte ihr jedoch trotzdem Geringschätzung gegenüber.

5.2 Wie Mitglieder Prabhupadas Lehren aufnehmen

Das oben zuletzt genannte Zitat aus dem Abschnitt der Antworten stellte sich als die herausforderndste Antwort der ganzen Studie heraus, da sie argumentiert, dass Prabhupada „Homosex“ auf der Basis inkorrekter Informationen verurteilte. Dieser Faktor stellt sich dann als das unvorhergesehene „philosophische Problem“ heraus, dass eine „viel größere Bedeutung für modernes Predigen“ hat. Die folgende Diskussion schlägt einige Antworten vor, die ISKCON-Mitglieder wählen könnten, um dieser oben begonnenen Herausforderung zu begegnen.

Eine Antwort wäre, einfach zu ignorieren, dass Prabhupada einen technischen Fehler gemacht hatte, um auf diese Weise die intellektuelle Herausforderung zu vermeiden, da Prabhupada ähnliche Aussagen zu einigen solcher Anlässe gemacht hat. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass so eine absichtliche „Ignoranz“ früher oder später problematisch werden würde; ein unbeachteter Intellekt kann für Schwierigkeiten sorgen, vor allem wenn es um Fragen des persönlichen Glaubens geht. Darüber hinaus würde ein ISKCON-Mitglied wohl Schwierigkeiten haben, einem neuen Mitglied oder „Außenseitern“, die solche Aussagen von Prabhupada in Frage stellen, zu antworten.

Ein anderer Ansatz könnte es sein, anzuerkennen, dass Prabhupada technisch falsch liegt, und dass ein solcher Fehler eine besonders delikate Situation bedingt, da er eine inkorrekte Aussage benutzt, um einen sehr kritischen Kommentar zu machen. Auf einen Fehler von Prabhupada aufmerksam zu machen birgt das Risiko, Prabhupadas Worte, die die Haupstütze im Glauben seiner Anhänger sind, für eigenmächtige Interpretationen zu öffnen. Als spiritueller Lehrer ist Prabhupada jedoch vor allem darin einzigartig, dass soviel seiner Worte wie noch nie zuvor bei einer derartigen Persönlichkeit für die Nachwelt aufgezeichnet wurden. Darüber hinaus verwendet ISKCON viel Energie auf die weitreichende Verteilung seiner aufgezeichneten Worte. Es scheint also, dass man die eigenmächtige Interpretation seiner Worte nicht vermeiden könnte. Gerade dadurch wird es sogar noch wichtiger, dass solche Aussagen von Prabhupada von seinen hingegebenen Nachfolgern richtig verstanden und gepredigt werden.

Deswegen wäre es nicht unvereinbar mit Prabhupadas Status als spiritueller Lehrer, dass er eben kein Experte in den Details weltlicher Sexualität war. Das würde in keiner Weise mit dem Hauptprinzip seiner Aussage in Konflikt stehen: ein menschliches Wesen, dass sich der unbegrenzten Sexualität hingibt, stellt sich selbst in eine Kategorie, die nach ISKCONs traditioneller Theologie unter der der Tiere liegt. Die Argumentation, dass Prabhupada einen technischen Fehler gemacht hatte um dieses Hauptprinzip zu unterstützen, kann durch den folgenden Auszug aus einem Gespräch zwischen Prabhupada und seinen Schülern bestätigt werden, in dem Prabhupada Zweifel ausdrückt, nachdem er hörte, dass zwischen Tieren gleichgeschlechtliche Anziehung existere: „Schüler: Also die Psychologen sagen, dass man sehen kann, dass Hunde, Schweine und Affen homosexuelle Beziehungen haben, auf dieser Basis, sagen sie, sollte es legal sein. Prabhupada: Sie haben Homosex? Hunde, Schweine, I denke nicht.“ (Prabhupada, 1989, 90-91). Nach dieser Diskussion gibt es keine aufgezeichnete Aussage, in der Prabhupada erwähnt, es gäbe keine Homosexualität unter Tieren, obwohl er Nichtheterosexualität gegenüber verurteilend blieb. Das deutet darauf hin, dass er dieses Detail als nicht bedeutend empfand. Seine Betonung lag auf dem degradierenden Effekt von unkontrollierter Sexualität.

Wie soll es weitergehen? Von einem reifen und mitfühlenden Nachfolger von Prabhupada wird erwartet, dass er Prabhupadas eindeutige Überzeugung, dass exzessive Identifikation mit dem Körper die Ursache von Unfreiheit und die positive individuelle Identifikation des Selbst als eine ewig mit Krishna verbundene Seele das Gegenmittel dazu ist, teilt. Während Prabhupada die Tendenzen der modernen Gesellschaft zum Abstieg im großen Stil (zu dessen Spektrum „Homosex“ zählt) angriff, bleibt seinen Nachfolgern in diesem Punkt die Aufgabe, seine Lehren genau dieser Gesellschaft, einschließlich Nichtheterosexueller, zugänglich und praktikabel zu machen. Es wäre nicht in ISKCONs Interesse, Prabhupadas vorbildliches Verhalten mit allen Klassen von Individuen zu ignorieren. In der Abwesenheit von Prabhupadas Niveau von Mitleid kann ein umfassenderes Verständnis und Wissen darüber, was Nichtheterosexualität ausmacht und welche Herausforderungen Nichtheterosexuellen sowohl innerhalb als auch außerhalb ISKCONs begegnen, ein Schritt in die richtige Richtung sein.

6. Schlussfolgerung

Obwohl einige Führungspersönlichkeiten in ISKCON eine Einstellung demonstrieren, die sowohl den Ansprüchen der Vernunft als auch des Mitleids gerecht wird, bringt diese Arbeit eine Vielzahl an Antworten auf Nichtheterosexualität ans Licht, die darauf hindeuten, dass noch viel Unstimmigkeit und Verwirrung unter ISKCON Mitgliedern herrscht, was Nichtheterosexualität und Nichtheterosexuelle angeht. Viele von Prabhupadas Nachfolgern mögen seine starken Aussagen bezüglich „Homosex“ nicht im weiteren Kontext seiner Verurteilung aller Sexualitätsformen außerhalb der Zeugung von Kindern, denen die volle Unterstützung für ihre spirituelle Entwicklung gegeben werden sollten, sehen. Vielmehr noch mag die Tendenz selbst der toleranteren und akzeptierenden Mitglieder von ISKCON sein, eine Art Abneigung gegenüber Nichtheterosexuellen aufrecht zu erhalten und diesen in einigen von Prabhupadas Aussagen bestätigt zu sehen. Dies kann dazu führen, dass ein ISKCON Mitglied unwissentlich selbst in den iccha-dvena Kreislauf, oder die Dualität von Anziehung und Abneigung, verstrickt wird, die aus ihrer Natur heraus schädlich für spirituellen Fortschritt ist. Und wie könnte gerade ein solches Mitglied einem anderen dann helfen aus diesem Kreislauf auszubrechen?

7. Einschränkungen und Empfehlungen

Eine der Haupteinschränkungen dieser Studie ist die Weigerung vieler ISKCON Mitglieder, vor allem denjenigen in Führungspositionen, teilzunehmen. Daneben lässt das Medium der Email nur eine wenig persönliche Kommunikation über ein delikates und kontroverses Thema zu. Ansonsten war die beschränkte Zeit, in der die Arbeit fertig gestellt werden musste, eine weitere Beschränkung.

Meine Vorschläge für zukünftige Forschung sind: Interviews sollten persönlich sein und, falls möglich, aufgezeichnet werden. Mehr Zeit sollte zur Verfügung stehen, und es sollten mehr Mitglieder befragt werden, vor allem soviele Frauen wie Männer und eine größere Prozentzahl Nichtheterosexueller.

 

8. Bibliographie

Bhaktivedanta Book Trust (ed.) (2003) Bhaktivedanta VedaBase. [CD-ROM] USA, Bhaktivedanta Archives.

dasa Gosvami, Hridayananda, (2005), Vaishnava Moral Theology and Homosexuality, Unpublished.

Goswami, Bhakti Ananda, [N.D.], Modern Biology and the Concept of a “Third Sex
Improving Our Understanding of Intersex Conditions and Homosexual Behavior
, [online], The Gay and Lesbian Vaishnava Association, Inc. Hinduism, Hare Krishna …, Available from: http://www.galva108.html.org/modernbio.html [accessed 8/02/07].

Murphy, Timothy F., (1997), Gay Science: The Ethics of Sexual Orientation Research. New York, Columbia University Press.

Oberholtzer, W. Dwight (ed), (1971) Is Gay Good? Ethics, Theology and Homosexuality, Philadelphia, Westminster Press.

Prabhupada, A.C. Bhaktivedanta Swami, (1989), Conversations With Prabhupada, Volume Fifteen, Los Angeles, The Bhaktivedanta Book Trust.

Prabhupada, A.C. Bhaktivedanta Swami, (1991), Conversations With Prabhupäda, Volume Thirty-four, Los Angeles, The Bhaktivedanta Book Trust.

Tully, Carol T., (2000), Lesbians, Gays & the Empowerment Perspective, New York, Columbia University Press.