Gestalt und Herkunft des Christentumsbildes
im Werk von A.C. Bhaktivedanta Swami


Vortrag von Peter Schmidt anläßlich der Prüfung zum Dr.phil., Frankfurt am Main, 16.07.1998

Über drei jahre habe ich meine akademische "freizeit" mit dem verfassen einer promotionsarbeit zum dr.phil. über a.c. bhaktivedanta swami und die gaudiya-vaishnava-religion im interreligiösen dialog mit dem christentum zugebracht. Die ergebnisse sind 1999 in deutsch unter dem titel "A.C. Bhaktivedanta Swami im interreligiösen Dialog- biografische Studien zur Begegnung von Hinduismus und Christentum" erschienen.

Frankfurt am Main, Band X des Jahrbuchs für Religionskultur,"Theion", Hrsg. W. Federlin und E.Weber), ISBN 3-631-34171-7

2002 erschien mein zweites buch über Bhaktivedanta Swami, diesmal nur auf englisch! Es trägt den titel
"Krishna meets Jesus" ISBN:3-8311-3570-3. Ein textauszug kann auf GoogleBooks eingesehen werden!

Gliederung:

Einführung und Thesen
1. Bhaktivedanta Swamis Christentumssicht
1.1. Die Bibel; 1.2. Jesus; 1.3. Kirchengeschichte
2. Bhaktivedanta Swamis religiöse Sozialisation
2.1. Kindheit; 2.2. College; 2.3. Vaishnava-Lehrer
3. Schlußbetrachtung und Anhang
 

Sehr verehrte Damen und Herren,
ich möchte mich heute im Rahmen meiner Promotionsdisputation mit dem Werk des bengalischen Swamis Abhay Caranaravinda Bhaktivedanta, kurz "Bhaktivedanta Swami" genannt, beschäftigen. In erster Linie soll hierbei dessen Betrachtungsweise des Christentums behandelt werden. Jener indische Gelehrte lebte von 1896 bis 1977 und gründete elf Jahre vor seinem Tod in New York die Internationale Gesellschaft für Krishna-Bewußtsein, abgekürzt: 'ISKCON', die den meisten von Ihnen besser als 'Hare-Krishna-Bewegung' bekannt sein dürfte.
Gleich zu Beginn möchte ich drei Hauptthesen formulieren, auf die meine nachfolgenden Ausführungen Bezug nehmen werden:

1. Bhaktivedanta Swami darf nicht als Wegbereiter einer ehedem als Jugend-Sekte, heute als "Neue religiöse Bewegung" bezeichneten Gruppierung gelten; seine Religion basiert vielmehr auf einer jahrhundertealten, genuin hinduistischen Glaubenstradition.
2. Bhaktivedanta Swamis Sicht des Christentums ist - unter fast exklusiver Berücksichtigung der Bibel - durchaus als umfangreich zu bezeichnen und wird charakterisiert von einer hohen Wertschätzung der Person Jesu. Hinweise auf den Ursprung dieser Position liefern seine zahlreichen Äußerungen über eine gerade auch christlich geprägte religiöse Ausbildung im Jugendalter.
3. Bis heute existiert keine wissenschaftlich ernst zu nehmende Veröffentlichung über Bhaktivedanta Swamis Leben, die seinen Standpunkten zur christlichen Religion in annehmbarer Weise Rechnung tragen könnte. Die posthum erschienene offizielle ISKCON-Biographie muß in diesem Zusammenhang als äußerst problematisch gelten.

Nun aber in medias res.
Zur ersten These: Religionswissenschaftlich muß man Bhaktivedanta Swamis Organisation in den großen Komplex des Hinduismus einordnen, wie die Gesamtheit aller innerhalb des indischen Subkontinents anzutreffenden Religionsformen des Animismus, Schamanismus, Polytheismus, Pantheismus, Monismus und Monotheismus gemeinhin genannt wird.
Eine derartige Form des Eingottglaubens mit persönlicher Gottesvorstellung ist auch die Grundlage von Bhaktivedanta Swamis Religion, die zum sogenannten Vaishnavismus (oder Vishnuismus) gehört, jene neben «Shivaismus und «Shaktismus dritte große Glaubenslehre Indiens. Dabei handelt es sich um eine ab dem 3. Jh. v. Chr. vornehmlich in Bengalen anzutreffende religiöse Tradition, in der Gott Vishnu oder einer seiner Inkarnationen wie Rama oder eben der in Indien äußerst populäre Krishna, angebetet wird. Eine der literarischen Grundlagen wird dabei von der Bhagavad-gita gebildet, einem ebenfalls in dieser Epoche entstandenen philosophisch-didaktischen Lehrgedicht.
Die Anhänger des Vaishnavismus, die sog. Vaishnavas, pflegen keine einheitliche kulturelle und theologische Tradition. Man spricht von vier großen philosophischen Strömungen, die nach ihren zeitlich allesamt aus dem Mittelalter und vornehmlich aus Südindien stammenden Stiftern benannt wurden. Dazu gehört beispielsweise die Schule von Madhva, der das dualistische philosophische System der dvaita entwickelte, wonach Gott und alle irdischen Seelen als völlig voneinander unterscheidbare geistliche Einheiten zu begreifen sind.
In der Regel standen die Vaishnava-Gelehrten an der Spitze von Volksbewegungen, die sich gegen die ritualistische Frömmigkeit der traditionell hierarchisch organisierten Brahmanenreligion richteten. Gott sollte leichter und unmittelbar durch jeden einzelnen für die angestrebte Erlösung vom Daseinskreislauf zugänglich werden. Konkret heißt dies, daß hochkomplexe Feuerrituale, zeremonielle Gesänge und komplizierte Opferungen der Brahmanen-Priesterschaft weichen sollten zugunsten von einfachen und auch von Laien auszuübenden Handlungen der sog. bhakti, des von Liebe gelenkten, hingebungsvollen und selbstlosen Dienstes gegenüber Gott. So begann man zum Beispiel, dessen Bildgestalten im Tempel zu verehren oder, als die Verehrungsmethode schlechthin, das singende Rezitieren verschiedener Gottesnamen einzuführen.
In der ersten Hälfte des 16.Jh.s kam die Bewegung des Predigers Caitanya aus Mayapura in Bengalen hinzu. Dieser als avatara, eine Inkarnation Gottes, verstandene Gründer der sog. Gaudiya-Vaishnava-Tradition konzentrierte die religiöse Praxis auf eine hingebungsvolle Verehrung von Krishna und seiner ewigen Gefährtin Radha. Aus dieser Linie des Vaishnavismus ist letztendlich auch Bhaktivedanta Swamis Bewegung für Krishna-Bewußtsein hervorgegangen, deren Hauptaufgabe in der weltweiten Verbreitung des gemeinsamen Lobgesangs der Namen Gottes, nama-sankirtan genannt, liegt.

Der Vollständigkeit halber muß an dieser Stelle noch erwähnt werden, daß die ISKCON nicht die einzige Vertreterin des Gaudiya-Vaishnavismus in der westlichen Welt ist. Auch einer der geistlichen Verwandten Bhaktivedanta Swamis, d.h. ein anderer Schüler seines religiösen Lehrers, wurde zur gleichen Zeit außerhalb Indiens als geistliche Prediger-Autorität bekannt und geschätzt. Dies war Bhakti Rakshaka Sridhara, der ebenfalls eine religiöse Organisation zur Verbreitung der Lehren Caitanyas gründete, deren Hauptsitz im indischen Navadvipa liegt.

Wie bereits erwähnt, gibt es mittlerweile weltweit eine große Anzahl neuerer wissenschaftlicher Publikationen über die traditionellen wie auch die modernen Ausprägungen der Vaishnava-Religion. Bei der Sichtung der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur über Bhaktivedanta Swami zeigte sich allerdings, daß insbesondere dessen Verhältnis zu anderen Weltreligionen - namentlich zum Christentum - darin ausgespart oder nur sehr kurz abgehandelt wurde. Insofern hat bisher kaum eine wissenschaftlich begründete Auseinandersetzung mit diesem Themenbereich stattgefunden.
Genau dies ist der Hauptgegenstand meiner Promotionsarbeit, in der ich insbesondere das Gesamtwerk Bhaktivedanta Swamis unter ausschließlicher Berücksichtigung seiner Sicht des Christentums und der daraus resultierenden Strategie eines interreligiösen Dialogs aufgearbeitet habe. Außerdem bin ich der Frage nach der Herkunft von Bhaktivedanta Swamis Ansichten über das Christentum in seinem religiösen Sozialisationsprozeß nachgegangen.
Als Primärquelle diente mir dabei eine CD-ROM, die die vollständige englischsprachige Sammlung seiner Bücher, Briefe und Zeitschriftenartikel sowie die Abschriften aller Tonbandprotokolle seiner Vorträge und diversen Diskussionen enthält.
Nachfolgend möchte ich Ihnen die wichtigsten Ergebnisse des ersten Abschnitts meiner Arbeit vorstellen. Ich greife dabei meine zweite These auf:

1.1. Die Frage nach einer sog. Shastra, einer heiligen Schrift, die - definitionsgemäß - Gottes Willen authentisch dokumentiert, ist nach Auffassung von Bhaktivedanta Swami nicht nur für die christliche Religion konstitutiv. Er betrachtet die insofern für ihn einzig in Frage kommende Bibel mitunter als einen Teil der ältesten hinduistischen Literatur, den sogenannten Veden, und stellt sie überdies als ein Buch dar, das als Quelle für Informationen über das Leben und Wirken der christlichen Gottesinkarnation Jesus Christus genutzt werden könne.
Qualitativ sei die Bibel als eine Art vereinfachtes Kompendium der göttlichen Botschaft zu verstehen, welche jedoch viel ausführlicher in der Bhagavad-gita zu finden sei (Vergleich Taschenlexikon - größeres Wörterbuch). Die Aussagen der heiligen Schrift seien zwar nicht unwahr, jedoch unterschieden sich insbesondere die Zielgruppen beider Werke in ihrer intellektuellen Aufnahmefähigkeit. In der schlichter konzipierten Bibel bleibe die Botschaft der göttlichen Liebe daher eher im Dunkeln.
Prinzipiell ließe sich aber auch mit der Bibel der Zweck einer Religion erfolgreich anstreben. Dieser besteht für Bhaktivedanta Swami in der Hinführung aller Menschen zu der von Liebe erfüllten Beziehung zu Gott, d.h. zur Entwicklung dessen, was er als "Krishna-Bewußtsein" bezeichnet.
Allerdings wird für ihn die Person Jesu - zu der ich anschließend noch komme - fälschlicherweise als ein einzigartiger Welterlöser geschildert. Ursächlich dafür seien die zahlreichen unerlaubten Manipulationen des Bibeltextes, ein Vorgang, den man zwar als Zeugnis des Glaubens verstehen, jedoch in keiner Weise dulden könne. Dadurch ginge der Anspruch auf absolute Wahrhaftigkeit verloren. Eine derartige 'Bearbeitung der Bibel', wie er es nennt, liegt für Bhaktivedanta Swami immer dann vor, wenn Christen Jesus wissentlich und willentlich Textpassagen zuschreiben, obwohl deren Abfassung nachweislich erst zu einem nachösterlichen Zeitpunkt erfolgt sei.
In einem 1969 verfaßten Brief etwa berichtet Bhaktivedanta Swami, daß er über die Lektüre eines kirchlichen Rundschreibens, dessen Autor ungenannt bleibt, von den Untersuchungen eines gewissen Prof. Charles Smith erfahren habe. Dieser stelle fest, so gibt er den Inhalt des Zirkulars wieder, daß im allgemeinen große Zweifel an der Authentizität aller biblischen Jesusworte existierten. Zahlreiche Abschnitte beispielsweise seien Jesus vom Autor des vierten Evangeliums in den Mund gelegt worden. Eine besondere Erwähnung findet in diesem Zusammenhang Joh. 14.6., wo Jesus mit 'Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich' zitiert wird. Bhaktivedanta Swami gibt hier zu bedenken, daß - folge man den Thesen von Charles Smith - gerade auch diese für das Selbstverständnis des Christentums wichtige Aussage später hinzugefügt worden sein könnte.
Smith, ein Theologe von der Universität in Cambridge, Massachusetts, wird von Bhaktivedanta Swami nur dieses eine Mal erwähnt, weswegen davon ausgegangen werden muß, daß der Inder dessen hier zugrunde liegendes Buch 'The paradox of Jesus in the Gospels' nur über die sekundäre Quelle des kirchlichen Rundschreibens gekannt hat. Meine eigenen Recherchen, die mich bis zur Loyola-Universität von New Orleans führten, haben ergeben, daß die im Bereich der biblischen Entmythologisierung anzusiedelnde Smith'sche These dennoch äußerst korrekt wiedergegeben wurde.

Untersucht man Bhaktivedanta Swamis Kompetenz in bezug auf den Inhalt der Bibel, so stellt man fest, daß er in keinem der von ihm verwendeten 14 Bibelzitate auf den jeweiligen konkreten Kontext eingeht. Auch die Rekonstruktion des biblisch-historischen Rahmens spielt für ihn keine Rolle. Vielmehr streut er häufig Bibelworte, bei denen er eine inhaltliche Identität mit seiner eigenen Philosophie entdeckt zu haben glaubt, in Diskussionen ein. Oft wird unter anderem die Liebe thematisiert, die ein Mensch Gott gegenüber aufbringen solle, ebenso die unendliche Macht Gottes und die Abhängigkeit des Menschen von ihm.
Sein bevorzugtes Bibelzitat ist allerdings das Fünfte Gebot, das sich in 158 Textstellen wiederfindet, weitaus öfter als alle anderen zusammen. Er nennt es das 'Erste Gebot der Bibel', das jedoch von Christen häufig übertreten werde, obwohl es mit im Zentrum von Jesu Lehre gestanden habe.
In seinem 1975 erschienenen Kommentar zum Srimad-Bhagavatam, einem zentralen Vaishnava-Schriftwerk über Krishna, bezieht sich Bhaktivedanta Swami z.B. auf den zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41-52). Unter Hinzuziehung nicht identifizierbarer Quellen präsentiert er eine für das Christentum folgenreiche Begebenheit: Nach seinem Wissen habe der heranwachsende Jesus, schockiert von der Tieropferpraxis der Juden in den Synagogen(!), empört den jüdischen Glauben abgelehnt und infolgedessen eine eigene Religion, eben das Christentum, mit dem endlich richtig verstandenen äDu sollst nicht tötenô gestiftet.
An anderer Stelle begründet Bhaktivedanta Swami die Notwendigkeit der Bekräftigung des Fünften Gebots damit, daß die Menschen zu Jesu Zeiten derart an das Töten gewöhnt gewesen seien, daß sie die Bedeutung dieses Gesetzes nicht mehr erfaßten.
In der heutigen Zeit habe sich die Situation gegenüber der biblischen Epoche sogar noch verschärft, weil Tiere jetzt nicht nur anläßlich von Opferungen, sondern auch zu Zwecken unzulässiger Nahrungsbeschaffung in Schlachthöfen getötet würden. Da das Töten von Lebewesen prinzipiell als abscheulicher, unbarmherziger und deshalb verdammungswürdiger Akt gelte, müsse man Christen, die derartige Mißstände tolerierten oder unterstützten, als zur wahrhaftigen Gotteserkenntnis unfähig bezeichnen.
Zugleich schreibt Bhaktivedanta Swami der Bibel einen stetig schwindenden Einfluß auf die für ihn dringend notwendige religiöse Gesundung der modernen westlichen Welt zu. Deren Verfall gründe auf einer extrem materialistischen und egoistischen Lebensgestaltung, insbesondere vieler christlicher Geistlicher. Doch dazu gleich mehr.
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Bhaktivedanta Swami die biblischen Texte als göttliches Offenbarungswerk akzeptiert und bisweilen sogar deren Studium empfiehlt. Obwohl die Worte Jesu ihn nicht aus erster Quelle wiedergegeben werden, enthält die Bibel für ihn alle wesentlichen Richtlinien für die Ausübung einer wahren Religion.
Auf die Bedeutung, die in diesem Zusammenhang Jesus zugedacht wird, möchte ich im Folgenden näher eingehen.

1.2. In seinem Gesamtwerk verwendet Bhaktivedanta Swami den Namen 'Jesus' insgesamt 861mal und den Titel 'Christ' sogar 1083mal; zum Vergleich: Das Judentum findet ganze 3mal Erwähnung, Mohammed 40mal, Buddha 619mal und Krishna 81.826mal.
Jesus, für den Titulierungen wie "Lord" oder "Son of God" verwendet werden, habe gegenüber allen Kreaturen ein überwältigendes Mitgefühl gezeigt, ebenso eine ausgeprägte Toleranz (insbesondere bei seinen Widersachern), sowie eine aufopferungsvolle Bescheidenheit ohne materielle Anhaftung an diese Welt. Dabei habe er ein unendliches Vertrauen und eine absolute Hingabe in Gottes machtvolle Größe bewiesen.
Interessanterweise verwendet Bhaktivedanta Swami auch aus der hinduistischen Tradition stammende Bezeichnungen: Jesus sei wahrlich ein Vaishnava-Lehrer, ein Guru, und ein mächtiger Devotee gewesen, womit er einen gläubigen und Gott hingebungsvoll dienenden Menschen bezeichnet. Ganz besonders wichtig ist ihm zudem die Kennzeichnung als avatara.
Immer wieder wird Jesu vorbildliche Gesinnung bezüglich des dienenden Gehorsams gegenüber Gott betont. Vor seiner irdischen Existenz im Himmel sei er ohne Aufgabe gewesen und habe sich deshalb sehr gelangweilt. Auf der Erde hingegen habe er sich in einer planmäßigen und für einen wahren Vaishnava mustergültigen Weise für andere Lebewesen eingesetzt.
Dem Wahrheitsgehalt des biblisch dokumentierten Schicksals Jesu stimmt Bhaktivedanta Swami - trotz aller Zweifel an der Authentizität der Evangelien - kompromißlos zu: Es habe sehr wohl einen göttlichen Auftrag gegeben für dessen Erlösung bringenden Kreuzestod. Dies gelte auch für die anschließende Auferstehung. Letztere bleibt für ihn jedoch stets zweitrangig angesichts der alles überragenden Bedeutung Jesu als erhabener Botschafter und Reformer, der die Menschen der biblischen Zeit durch die Entwicklung einer anspruchsloseren - man gestatte mir diesen Ausdruck! - "Light-" Version der Vaishnava-Philosophie auf den Weg zurück zu Gott führen sollte.
Jesus stehe somit auch unumstritten in der Tradition aller bedeutenden religiösen Reformer. Dessen großmütige und selbstlose Haltung habe nachweislich darin bestanden, daß dieser mit seinem Opfertod - ein einziges Mal - alle Sünden der Menschen auf sich genommen und getilgt habe.
Die nachösterliche Interpretation von Jesu edlem Werk allerdings habe - bis zum heutigen Tage - mit dieser ursprünglichen Absicht nicht mehr viel zu tun. Für Bhaktivedanta Swami beruht die christliche Religionspraxis vielmehr auf der Schaffung und Bewahrung eines trickreichen und verhängnisvollen Vertrages, den man seit biblischen Zeiten mit Jesus wie mit einer Art Sündenbock abschließe, um stets neu von jeglicher Strafe für alle - selbst in der Zukunft - begangenen Sünden befreit zu sein.
Ganz verständlich wird dieser Vorwurf erst durch Bhaktivedanta Swamis Definition von Sünde, nämlich dem menschlichen Ungehorsam gegenüber Gott und dessen Geboten. Kein "faules" Abkommen mit Jesus, sondern allein ein alltäglicher, in das Leben integrierter Dienst an Gott verhindere die Entstehung neuer Sünden; jeder Mensch müsse daher ununterbrochen einzig Gott dienliche und Gott gewidmete Aktivitäten anstreben.
Kein Wort der Mißbilligung fällt gegen das Konzept des himmlischen Heilsplans der Sündenvergebung; im Kreuzfeuer der Kritik steht allein das mißverstehende Fehlverhalten der Anhänger Jesu, das sich für Bhaktivedanta Swami bis heute in einer die Moral zersetzenden Art und Weise vollzieht. Gleichsam als Gegenpol zu dem über jede Kritik erhabenen Gottessohn charakterisiert er die Christen aller Zeiten mit vernichtenden Vorwürfen: Sie seien im materiellen Leben hilflos verstrickte, gegenüber anderen Religionen äußerst intolerante Fanatiker, ohne wegweisende Lebensphilosophie, ausgestattet mit einer auf allen Ebenen inkonsequenten, korrupten und egoistischen Ethik, die u.U. sogar kapitale staatliche Bestrafungen notwendig mache, da es generell an einem geistlich qualifizierten und gleichfalls autoritativen Klerus mangele. All dies erweise sich als um so fataler, da es seiner Ansicht nach mit dem biblischen Dekalog eine akzeptable und potentiell geeignete normative Grundlage für ein wahrhaft gottergebenes Leben gebe. Dennoch besitzt Bhaktivedanta Swami ein großes Vertrauen in die jüngeren Generationen zur Verhütung des Untergangs der westlichen Gesellschaft, deren starke Ablehnung seiner Bewegung er als Gradmesser für seinen eigenen öffentlichen Erfolg begreift.

1.3. Eine Darstellung von Bhaktivedanta Swamis kritischer Betrachtung des Christentums würde an dieser Stelle unvollständig bleiben, wenn man nicht auch seine spärlich gebliebenen kirchengeschichtlichen Aussagen erwähnte.
Innerhalb des Christentums gilt für ihn die römisch-katholische Kirche als einziger autorisierter Ansprechpartner. Diese Haltung wird von ihm nie begründet, hat aber gewiß mit seinem rudimentär gebliebenen Wissen über die Geschichte des von ihm massiv verurteilten Protestantismus zu tun. Dabei setzt er die Entstehung dieser Konfession konkret mit dem Aufkommen der Church of England gleich: Ein gewisser König Johann, so doziert er mehrmals, habe ungerechtfertigterweise gegen die Machtprinzipien des katholischen Klerus - im wahrsten Sinne des Wortes - "protestiert" und im Anschluß daran die Gründung der seitdem so genannten protestantischen, für ihn "notorisch unzufriedenen" Kirche in die Wege geleitet; (er meint natürlich nicht König Johann ohne Land, sondern Heinrich VIII.). Das Thema wird nie weiter vertieft, europäische Reformatoren bleiben dementsprechend gänzlich ungenannt.

Soweit zu Bhaktivedanta Swamis Sicht des Christentums. Kommen wir nun zur dritten These. Es geht um die Faktoren, die im Wesentlichen zu dessen religiöser Individuation beigetragen haben und in denen die ausschlaggebenden Einflüsse auf seine Ansichten zum christlichen Glauben zu finden sind.
Die zahlreichen Darstellungen von Bhaktivedanta Swamis Werdegang in Kindheit und Jugend in der bereits erwähnten ISKCON-Biographie von 1980 sprechen eine eindeutige Sprache: Darin berichtet der Autor SatsvarÖpa dÇs, daß Bhaktivedanta Swami, der damals noch Abhay Charan De hieß, als Kind wie auch als junger Mann ununterbrochen über religiöse oder philosophische Dinge nachgedacht und dabei - aufgrund einer bereits damals fundierten philosophischen Ausbildung in den Veden durch seinen Vater - jeglichen westlichen Denkern ablehnend gegenübergestanden habe. Schon damals habe er den väterlichen Ausführungen über die ewige Seele, den Willen Krishnas und den Glauben an Gott gewissenhaft gelauscht und alles verstanden. An weltlichen Wissenschaften sei er völlig desinteressiert gewesen. Von Erkenntnissen und Entdeckungen auf diesen Gebieten habe er sich niemals faszinieren lassen.
Soweit die im ersten Band der Biographie nachzulesenden "Fakten". Jene biographischen Schilderungen müssen jedoch - und dies zeigt meine Analyse der Kindheits- und Jugenderinnerungen Bhaktivedanta Swamis - als unrichtig moniert werden. Diese Feststellung möchte ich im folgenden ausführlich begründen.

2.1. Den ersten Kontakt mit einer Religion hatte Bhaktivedanta Swami in seiner Kindheit in der Tat durch die Vaishnava-Welt seines ritual- und volksfrömmigen Vaters, Goura Mohon, einem Tuchhändler in Calcutta. Bis ins hohe Alter bleibt dem Sohn der spielerisch-imitative Charakter jener ersten Versuche einer Krishna-Anbetung in Erinnerung. Deren theologische Bedeutung, sagt er später rückblickend, sei ihm allerdings zu diesem Zeitpunkt noch unbekannt gewesen. Ebensowenig habe ihn seine rein kindlich-naive Faszination für das Feierlich-Geheimnisvolle des religiösen Kultes als Heranwachsender inhaltliche Einblicke in die heilige Vaishnava-Literatur gewinnen lassen.
Dafür wurde Abhay schon zu diesem Zeitpunkt mit der äußerst gegensätzlichen und dennoch verlockenden Kultur der britischen Kolonialherren konfrontiert. Ohne Widerspruch seines Vaters entfernte er sich als Schüler und später noch stärker als Student immer mehr von den religiösen Wurzeln seiner Vorfahren. In dem Jugendlichen herrschte insofern ein unvoreingenommenes Nebeneinander von immer noch religiös-okkult gedeuteten Phänomenen und technikbetontem Fortschrittsdenken: Da werden Grammophon und Ventilator für ihn von unsichtbaren Zwergen bewegt, das Antriebssystem von Straßenbahnen erregt sein Interesse, er geht häufig ins Kino, trinkt am liebsten Limonade von der Marke 7UP, an die er sich sogar noch als alter Mann schwärmerisch erinnert, und er spielt gerne Fußball, über den er als Swami ganze 44 mal in leidenschaftlicher Weise referiert, indem er die Spielweise des Sports mit philosophischen Erkenntnissen der Seelenwanderung vergleicht: "The football has no place. As soon as (it) comes (to) somebodyÆs feet, he kicks. He goes to another body. ... So we are just like football. We are being kicked up. Now I am American. Next time I shall be kicked up to China..." (aus einem Vortrag zur Bhagavad-gita, gehalten am 20.12.1966 in New York).

2.2. Zwischen 1916 und 1920 war Abhay Schüler des Scottish Churches College in Calcutta. Dort setzten sich die Entwicklungstendenzen aus seiner Kindheit und Jugend fort und verfestigten sich. Im Unterricht wurde er mit einer rein abendländisch-christlichen Kultur konfrontiert und durch den Kontakt mit Westeuropäern bildete sich zunehmend eine auch unter den Studenten allgemein verbreitete Affinität zum westlichen Lebensstil heraus.
In besonders guter Erinnerung bleibt ihm Zeit seines Lebens ein aus Schottland stammender Reverend mit Namen Dr. William Spence Urquhart, der spätere Direktor des Colleges. Dieser hat offensichtlich einen bleibenden Einfluß auf den Studenten entwickelt, was sich - völlig unabhängig vom christlichen Hintergrund des Lehrers - in einer außerordentlichen Zuneigung und väterlichen Verbundenheit des jungen Mannes bis ins hohe Alter hinein äußerte.
Besonders im Hinblick auf das vermittelte religiös-philosophische Schulwissen verhält sich der Student mehr als loyal gegenüber seinem Lieblingslehrer: Rev. Urquharts tägliche und obligatorische Bibelstunden in einer 150 (!) Studenten umfassenden Klasse können als primäre Quelle der Bibelkenntnisse von Bhaktivedanta Swami angesehen werden.
Seine häufige Bezugnahme auf jenen Lehrer veranlaßten mich im Laufe der Dissertation dazu, weitere Nachforschungen über Urquharts Person und theologisches Lebenswerk anzustellen, was mir während zweier Reisen ins schottische Edinburgh auch gelang.
Die bedeutendsten Ergebnisse hierzu: Bhaktivedanta Swami übernahm zum überwiegenden Teil Rev. Urquharts liberaltheologische Vorstellungen von Jesus. Das trifft insbesondere zu auf die Vorstellung von Jesu göttlichem Auftrag als beispielhafter religiöser Lehrer und als moralstiftende Instanz. Für beide Gelehrte ist der Kreuzestod Jesu essentiell. Auch bezweifeln sie niemals die historische Echtheit und den göttlichen Ursprung der biblischen Jesusworte. Der Inder wählt in seinen Werken bisweilen sogar exakt dieselben Bibelzitate und christlich-theologischen Fachbegriffe, auf die auch sein Collegelehrer Wert legte.
Im übrigen hatte Rev. Urquhart regen Kontakt zu Rudolf Otto in Marburg und sprach fließend Deutsch; man besuchte sich sogar gegenseitig in Deutschland bzw. in Indien.
Nach dem bislang Gesagten ist leicht zu erahnen, was in der College-Zeit mit Abhays Wissen um die väterliche Kindheitsreligion geschieht: Es verschwindet ganz bzw. wird bisweilen sogar von dem Studenten aktiv abgelehnt. Dafür entwickelt er, eigenen Aussagen zufolge, eine regelrechte Sehnsucht nach westlicher Identität und modernem Großstadtleben, träumt von Reisen nach New York oder London (die Städte, die später zu den ersten Zentren seiner Mission werden sollten), bewundert die ersten Wolkenkratzer wie ehedem Straßenbahnen und liest regelmäßig wissenschaftliche Magazine, beispielsweise den heute noch erscheinenden Scientific American.
Soviel zu den Selbstzeugnissen Bhaktivedanta Swamis über seine eigene religiöse Entwicklung in Kindheit und Jugend. Ich möchte an dieser Stelle noch kurz etwas zur ISKCON-Biographie anmerken: Ganz offensichtlich wurde hier der akademisch wenig löbliche Versuch unternommen, ein von etlichen Legenden umrangtes Idealbild der Persönlichkeitsentwicklung des Swamis zu kreieren. Aus diesem Grunde ist es auch nicht weiter verwunderlich, daß der Autor die einflußreiche Person des schottischen Reverends Urquhart vollständig ignoriert hat.

2.3. Betrachten wir abschließend noch den theologischen Werdegang Bhaktivedanta Swamis im Erwachsenenalter.
Obwohl man in der traditionellen Vaishnava-Theologie Indiens keine Bezugnahme auf das Christentum findet, werden durch die während der britischen Besatzungszeit mit Missionaren entstandenen Kontakte dahingehend veränderte Bedingungen geschaffen. Dies macht sich auch in den Werken von Bhaktivedanta Swamis geistlichem Vaishnava-Lehrer, BhaktisiddhÇnta Sarasvatà und dessen leiblichem Vater, dem Swami Bhaktivinoda ÁhÇkura bemerkbar. Deren theologische Positionen zum Christentum haben ebenfalls die Standpunkte des ISKCON-Gründers beeinflußt.
Erst nach einer mühsam verlaufenden Literatur-Recherche meinerseits via Internet konnten diese Vermutungen konkret verifiziert werden.
Denn bereits Bhaktivinoda Thakura verstand Jesus als einen religiösen Reformer, der - wie andere vor ihm - zur Erfüllung des göttlichen Gesetzes auf der Erde beauftragt wurde. Vorbildhaft in der liebevollen Hingabe zu einem väterlichen Gott besitze dieser alle Eigenschaften eines Erlösers, sei jedoch von seinen Zeitgenossen nicht hinlänglich verstanden worden, was wiederum zu einer interpretativen Verfälschung der heiligen Schrift geführt habe. Für Bhaktivinoda Thakura besitzt die göttliche Botschaft einen globalen Charakter, so daß Christen letztendlich zu ganz ähnlichen religiösen Erkenntnissen wie Vaishnavas kommen könnten, ja müßten.
Von Bhaktisiddhanta Sarasvati, seinem eigentlichen Vaishnava-Lehrer (die Initiation erfolgt im November 1932, zehn Jahre nach der ersten Begegnung) übernommen ist schließlich Bhaktivedanta Swamis grundsätzliche Differenzierung religiöser Weltanschauungen. Beide nehmen dabei eine entschiedene Abgrenzung der definitionsgemäß einmaligen "Religion" von sogenannten "frommen Glaubenspraktiken" beispielsweise des Hinduismus (!), Buddhismus, Islam und Christentum vor. Konkret müsse man unter Religion das Erlernen und die lebenslang ausgeübte Praxis von Gehorsam gegenüber Gott und dessen Gesetzen verstehen. Da es heute jedoch möglich sei, ähnlich einer Meinungsänderung - von einer Glaubensrichtung zur anderen zu konvertieren, könne man hier nicht von einer wahren Religion sprechen, sondern eben lediglich von Frömmigkeit (im Sinne von "Vertrauen haben" oder "einen geistlichen Standpunkt vertreten"). Dennoch, so schlußfolgert bereits Bhaktisiddhanta Sarasvati wie später auch sein Schüler, sei es für einen wahrhaften Christen auch möglich, Christ zu bleiben. Denn schließlich habe auch diese "Religion" das machtvolle Potential, zum Ziel des eingeforderten Krishna-Bewußtseins zu gelangen.
Auch die Kritik an den Angehörigen klerikaler Institutionen gestaltete sich schon bei Bhaktisiddhanta Sarasvati vehement. Geistliche Würden- und Amtsträger aller Weltreligionen stellte er gleichsam als Prototypen für die menschliche Verdorbenheit dar, da sie die geistliche Fortentwicklung hemmten und gleichzeitig das Gedeihen von Heuchelei, Sinnlichkeitswahn, Rauschmittelsucht, Gewinnstreben und das Töten von Tieren förderten.
Wie Bhaktivedanta Swami hatte auch sein Lehrer Vertrauen in die reformerische Kraft der jüngeren Generationen und rief zu einer religiösen Offensive durch autorisierte und missionarisch tätige, d.h. für ihn beispielsweise Bücher verteilende Sendboten auf. Vor diesem Hintergrund ist der kurz vor seinem Tod 1937 erfolgte Predigtauftrag im Westen an seinen Schüler zu verstehen.

3. Lassen Sie mich nun am Ende meiner Ausführungen eine kurze Zusammenfassung des bisher Gesagten vornehmen:
Der Vaishnava-Lehrer Bhaktivedanta Swami greift im Verlauf seiner Missionstätigkeit im Westen immer wieder auf seine Bibelkenntnisse und konkreten Vorstellungen von Jesus zurück, die auf eine langjährige Ansammlung von Fakten auf diesem Gebiet schließen lassen.
Die emotionalen Grundlagen für die spätere Religiosität des Inders sind bereits in der väterlichen Erziehung angelegt, auch wenn er als Collegeschüler weitestgehend von jeder Vaishnava-Frömmigkeit entfremdet bzw. in substantiellen Glaubensgütern noch gar nicht unterwiesen war.
Bhaktivedanta Swamis Kindheit und frühe Adoleszenz besitzen - das ergibt die  Durchsicht seiner eigenen Aussagen - keinen direkten Einfluß auf seine differenzierte Betrachtungsweise der christlichen Religion. Somit muß die westlich geprägte Collegeausbildung des Inders als einzige theologische Grundlagen schaffende Quelle hierfür gelten. In diesem Rahmen wurde dem Studenten namentlich von einem schottischen Missionar auch die Vorstellung eines liebenden Gottes, der zur Erlösung der Welt seinen Sohn beauftragt, nahegebracht.
Erst Bhaktivedanta Swamis Ausbildung durch einen interreligiös aufgeschlossenen Vaishnava-Gelehrten unter dem richtungsweisenden Einfluß von dessen eigenem Vater ermöglichte die Festigung einer vertrauensvollen und gleichzeitig kritischen Akzeptanz der christlichen Lehre. Die Swamis kannten und tolerierten bereits zahlreiche christliche Glaubensinhalte, ohne dabei jedoch im entferntesten zu ahnen, daß bei ihrem Schüler damit auch die zuvor schon Gestalt gebende Theologie des Collegelehrers Urquhart unterstützt wurde.
Man kann also gleichsam von einem Zusammentreffen zahlreicher günstiger, gewiß auch zufälliger Umstände im Leben von Bhaktivedanta Swami sprechen, wenn man dessen geistlichen und bezüglich des Christentums äußerst toleranten Werdegang nachzuzeichnen versucht: Es ergibt sich das Bild eines traditionell hinduistisch erzogenen, gleichzeitig über Jahre hinweg primär christlich sozialisierten Mannes, der schließlich im hohen Alter zu einer geschulten Führungsfigur des Vaishnavatums aufsteigen sollte.

Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit.

GLOSSAR:  (chronologisch geordnete Sanskrit-Wörter)

- Bhaktivedanta : wörtl. "der für den der Gipfelpunkt der Veden die Gottesliebe ist"; Swami : Anrede für einen geistlichen Lehrer/Meister (1896-1977).
- Shivaismus : Religion in Indien, in der die Verehrung von Gott Shiva im Mittelpunkt steht.
- Shaktismus : Religion in Indien, in der der weiblichen Energie einer jeweils lokalen Muttergöttin gehuldigt wird.
- Bhagavad-gita : ein aus 700 Versen bestehendes didaktisches Gedicht aus dem 3. oder 4. Jh.v.Chr., das vorwiegend philosophische und ethisch-religiöse Gedanken enthält. Literarische Grundlage u.a. der Vaishnava-Religion.
- Vaishnavas : Anhänger der religiösen Tradition des Vaishnavismus, in deren Mittelpunkt die Verehrung Vishnus oder Krishnas und ihrer verschiedenen Formen steht.
- Krishna: Im allgemeinen gilt Krishna (sprich: "Krischna") im Hinduismus als Inkarnation des Gottes Vishnu, jedoch ist auch der gegenteilige Glaube verbreitet. Historisch gesehen erscheint die Figur des Krishna in drei verschiedenen Phasen ab etwa 300 v.Chr. bis 200 n.Chr. in den religiösen Schriften Indiens. Es gibt 1. Krishna als Oberhaupt des Clans der
Yadavas, der im Mahabharata-Epos als Arjunas Wagenlenker dient, 2. Krishna als Fleisch gewordener Gott, der eben diesen Arjuna über die absolute Wahrheit belehrt; 3. Krishna aus Goloka, der als Gott von Kuhhirten aufgezogen wird und dabei zunächst als schelmisches Kind und später als gewinnender Liebhaber von Hirtenmädchen unzählige legendenhafte Wundertaten und Abenteuer erlebt. Seine berühmteste Gemahlin heißt Radha.
- dvaita : dualistisch; Dvaita Vedanta = dualistische Schule der indischen Philosophie.
- bhakti : wörtl. "Hingabe, Verehrung, Dienst".
- Caitanya : Vaishnava- Heiliger aus Mayapur/Bengalen (1486-1534), als avatara von Radha und Krishna angesehen. Gründer der Gaudiya-Vaishnava-Tradition, die sich auf die hingebungsvolle Verehrung von Krishna und seiner ewigen Gefährtin Radha als höchste Gottheit konzentriert.
- avatara : Bezeichnung für den in die Welt der irdischen Erscheinungen herabgestiegenen Gott selbst, "Inkarnation".
- Gaudiya-Vaishnava-Tradition (von 'Gauda-desa', einem alten Namen für Bengalen): Vaishnava-Religion, die sich auf die hingebungsvolle Verehrung von Krishna und seiner ewigen Gefährtin Radha als höchste Gottheit konzentriert.
- nama-sankirtan : das von Caitanya propagierte gemeinsame Singen der heiligen Namen Gottes.
- Bhakti Rakshaka Sridhara : wörtl. "Wächter der Frömmigkeit", (1895-1988), geistlicher Vaishnava-Lehrer, auch außerhalb Indiens als geistliche Prediger-Autorität bekannt und geschätzt; gründete ebenfalls eine religiöse Organisation zur Verbreitung der Lehren Caitanyas. Hauptsitz Navadvipa/Indien.
- Veden : (Vedische Schriften, Vedas) wörtl. "Wissen", alter Sanskrit-Schriftkorpus (ab 1200 v. Chr. bis in die zweite Hälfte des 6. Jh. v. Chr.), der die wichtigste Grundlage der klassischen hinduistischen Überlieferung darstellt.
- Shastra : wörtl. "heilige Schrift"
- Srimad-Bhagavatam = Bhagavata-Purana : ein zentrales Schriftwerk für die Vaishnavas, in dem die Hingabe an Krishna betont wird.
- guru : religiöser Lehrer.
- devotee : von engl. to devote = sich hingeben; Bezeichnung für die bhakti praktizierenden Schüler Bhaktivedanta Swamis i. S. eines gläubigen und Gott hingebungsvoll dienenden Menschen.
- Satsvarupa Dasa Gosvami : Autor des "Srila Prabhupada-Lilamrita", der posthum herausgegebenen offiziellen ISKCON- Biographie von Bhaktivedanta Swami, Bhaktivedanta Book Trust 1980 .
- Bhaktisiddhanta Sarasvati : (1874-1937), Vaishnava-Gelehrter und geistlicher Meister von Bhaktivedanta Swami; Sohn von Bhaktivinoda Thakura (1838-1914).